Eine präzise, allgemeine Bestimmung des Begriffs Buyer Persona erweist sich als schwierig. Es werden dabei gerne Begriffe wie Archetyp oder Idealtyp verwendet, die ihrerseits einer der Klärung bedürfen, will man die Unklarheit nicht nur eine Erklärungsstufe nach hinten verschieben. Auch dabei werden dann wieder abstrakte Begriffe, wie etwa der der Struktur verwendet, die dann ebenfalls schwer greifbar sind.
Hier möchte ich einmal einen anderen Weg beschreiten und anhand eines sehr simpel aufgebauten Beispiels eine konkrete Buyer Persona zu entwickeln beginnen.
Unser Beispiel: Der „Schnitzelkaiser“
Es gibt im Fernsehen zahlreiche Sendungen, in denen „Kochprofis“, also prominente TV-Köche, Restaurants beraten, die schlecht laufen. Wenn etwa „Der Schnitzelkaiser“ in Wuppertal kurz vor der Pleite steht, dann betritt der TV-Koch mit dem Fernsehteam das Restaurant.
Die Speisen und der Service werden unter die Lupe genommen, Gäste werden befragt oder neue „Testesser“ eingeladen und auf ihren Eindruck hin befragt. Auch Umsatzzahlen sowie Kalkulation werden geprüft und dergleichen mehr. Meistens liegt der Hauptgrund für das Ausbleiben der Gäste in der mangelhaften Qualität der angebotenen Speisen sowie der diffusen und überladenen Speisenkarte. Manchmal droht die Pleite aber auch infolge einer falschen Preisberechnung. Der TV-Koch erklärt dem Wirt dann, dass der Wareneinsatz mindestens mit dem Faktor 3 multiplizieren werden muss, um mit Speisen Geld verdienen zu können.
Wenn es schlecht läuft, weil das Essen nicht schmeckt, dann coacht der Kochprofi den Koch des Restaurants und zeigt ihm, wie man z. B. Schnitzel so brät, dass sie auch saftig sind und wie man schmackhafte Bratkartoffeln und unverkochtes Gemüse zubereitet. Häufig wird auch die altbackene Einrichtung des Restaurants von einem Einrichter-Team durch eine neue ersetzt und ein „modernes Ambiente“ geschaffen, in dem sich „die Gäste auch wohlfühlen“.
Diese Beratung durch den TV-Koch und sein Team ist durchaus als Unternehmensberatung einzustufen. Das Ziel dieser Beratungsleistung besteht darin, dass das Unternehmen („Der Schnitzelkaiser“) so umstrukturiert wird, dass es wieder schwarze Zahlen schreibt.
Was hat das mit Buyer Personas zu tun?
Tatsächlich wird bei dieser einfachen Form der Unternehmensberatung auch häufig eine zumindest implizite Form von einfacher Buyer-Persona-Entwicklung betrieben.
Häufig werden Hinweise, die die Gäste geben, vom TV-Koch oder dem Einrichter-Team aufgriffen. Informationen darüber, was die Gäste von einem solchen Restaurant (z.B. einem bayrischen Landgasthof, einem Schnellimbiss oder eben Schnitzelwirt) erwarten, dienen dann dem Beraterteam als Input für Umstrukturierungsmaßnahmen.
Buyer-Persona-Entwicklung heißt im Kern genau das: Die Kundenerwartungen eruieren, d. h. der Stimme der Kunden Gehör verschaffen.
Angenommen, wir wollen eine simple, aber explizite Buyer Persona für den Wuppertaler „Schnitzelkaiser“ entwickeln.
Wir interviewen dazu in unserem Mini-Projekt drei Gäste: Dieter, Thomas und Steffi.
Die drei Mini-Interviews sehen wie folgt aus:
Dieter: „Die Wartezeit ist hier viel zu lange, da ist meine Mittagspause ja manchmal schon fast vorbei, wenn das Essen kommt, aber das Rahmschnitzel mit Bratkartoffeln, ich esse hier immer Rahmschnitzel, also das Rahmschnitzel ist wirklich gut, also die Rahmsauce, da ist viel Sahne drin, das ist genau so, wie ich mir ein richtiges Rahmschnitzel vorstelle.“
Thomas: „Gut, es dauert hier manchmal schon lange, aber das ist mir wurscht. Hat auch sein Gutes, dann kann ich endlich mal meine vielen Mails in Ruhe lesen. Die Schnitzel sind auch wirklich gut hier, nur die Zigeunersauce die kriegen sie hier gar nicht hin. Und ich esse nun mal am liebsten Zigeunerschnitzel. Das ist ʼne Rahmsauce mit Dosenpaprika drin. Sahne gehört für mich da nicht rein. Und auch frische Paprika. Kostet ja nicht die Welt. Ist mir auch zu fett diese Zigeunersauce und bekommt mir nicht. Die Pommes sind übrigens auch viel zu salzig, das wäre auch noch so ein Kritikpunkt.“
Steffie: „Ich finde die Schnitzel und auch die Saucen, die es hier gibt, gut, also bis auf die Pilze in der Jägersauce, die sollten nicht aus der Dose sein, aber was mich am meisten stört ist das Salatdressing. Das ist total langweilig und und diese komischen braunen Tischdecken, die sie hier haben, also die gehen gar nicht. Ach ja, da fällt mir noch was ein, ich mag die Pommes ja gern sehr salzig, also die könnten für meinen Geschmack noch stärker gesalzen sein.“
Das sind schon sehr heterogene Kundenerwartungen. Aber das kommt vor. Reale Kunden sind eben konkrete Personen mit ihren Eigenheiten.
Dennoch lässt sich aus diesen verschiedenen Informationen eine aufschlussreiche und konsistente Buyer Persona konstruieren.
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Was zeichnet die Buyer Persona in diesem Beispiel aus?
Die Buyer Persona, die es zu entwickeln gilt, ist ein Gebilde, in das die Kundenerwartungen einzutragen sind. Natürlich dürfen diese Erwartungen einander nicht widersprechen. Es muss also darauf geachtet werden, dass die sich bildende Buyer Persona konsistent bleibt.
Ein Konsistenz-Problem lässt sich hier sofort benennen. Es gibt mehrere Einwände und somit einige Herausforderungen. Ein Gast findet, dass die Pommes zu stark gesalzen sind, ein anderer, dass sie nicht salzig genug sind. Wir müssen daher versuchen, beide Erwartungen in der Buyer Persona so zu berücksichtigen, dass der Widerspruch verschwindet.
Das lässt sich an dieser Stelle dadurch erreichen, dass wir aus den beiden Erwartungen folgende neue Buyer-Persona-Erwartung komponieren: Die Pommes sollten weniger stark gesalzen sein, aber es sollte ein großer und gut sichtbarer Salzstreuer auf jedem Tisch stehen, so dass sich jeder Gast die Pommes ganz leicht so stark nachsalzen kann, wie er es mag.
Die Buyer Persona „Schnitzelkaiser“
Unsere simple Buyer Persona, entwickelt auf Grundlage der uns zur Verfügung stehenden Gäste-Äußerungen, lässt sich nun zusammenstellen:
Buyer Persona „Schnitzelkaiser“:
- Das Essen sollte schneller beim Gast sein.
- Nur die Sauce für das Rahmschnitzel sollte stark sahnehaltig sein, nicht jedoch die für das Zigeuner- oder Jägerschnitzel usw.
- Saucenzutaten wie Paprikastücke (Zigeunerschnitzel) oder Champignons (Jägerschnitzel) sollten zumindest nicht aus der Dose sein, am besten auch nicht aus dem Tiefkühlfach, sondern frisch.
- Das Salatdressing sollte mehr Pepp haben.
- Das Ambiente (alte braune Tischdecken usw.) sollte moderner werden.
- Die Pommes sollten weniger stark gesalzen sein, aber es sollte ein großer und gut sichtbarer Salzstreuer auf jedem Tisch stehen, so dass sich jeder Gast die Pommes ganz leicht so stark nachsalzen kann, wie er es mag.
Was lässt sich aus dieser simplen Buyer Persona lernen?
Mehr als man auf den ersten Blick glauben mag.
Die Buyer Persona und die Kunden
Buyer Personas werden meist als „Archetypen realer Kunden“ bezeichnet. Sie sind imaginäre Gebilde, die aber dennoch nicht ausgedacht sein sollen. Sie sind nahe am wirklichen Kunden.
Aber wie nahe? Sind es typische Kunden? Gibt es die überhaupt? Abstrakte Definitionen, die mit Begriffen wie Archetyp, Idealtyp oder Exemplar arbeiten, schaffen es nicht, den Begriff der Buyer Persona wirklich greifbar werden zu lassen.
Aber die hier entwickelte simple Buyer Persona für das Unternehmen „Schnitzelkaiser“ erlaubt es durchaus, unsere Vorstellungen über Buyer Personas zu schärfen.
Die Buyer Persona, die wir kreiert haben, ist, das fällt auf, kein typischer Gast. Keiner der befragten Gäste, es mag ein typischer Gast sein oder nicht, hat besonders große Ähnlichkeit mit unserer Buyer Persona.
Die Buyer Persona ist vielmehr eine Art „Über-Gast“ – ein Gasttypus, der kritischer und anspruchsvoller ist als jeder der befragten realen Gäste. Sie ist eine Kunstfigur, die Erwartungen verschiedener Gäste in sich vereinigt.
Wenn wir nicht nur Dieter, Thomas und Steffi, sondern noch sieben weitere potenzielle Gäste / Zielpersonen befragen würden, dann wären viele Erwartungen, die diese Gäste zum Ausdruck bringen, uns schon bekannt, weil sie den Erwartungen von Dieter, Thomas und Steffi entsprechen. Aber sicherlich würden wir auch Neues in diesem Entwicklungsprozess erfahren.
Es würde dadurch aber keine weitere Buyer Persona entstehen, sondern unsere singuläre Buyer Persona würde um die eine oder andere Kundenerwartung ergänzt werden müssen.
Die Angst, dass viele fiktive Buyer Personas gebildet werden müssen, weil reale Kunden so unterschiedlich sind und dass diese Personas dann für Marketing und Vertrieb nicht mehr handhabbar sind, erweist sich so als unbegründet. Gute Buyer Persona-Entwicklung führt zu einer Buyer Persona oder zu einigen wenigen Buyer Personas. Sie ufert nicht in Nutzergruppen aus.
Konkreter Nutzen?
Was für einen Nutzen hat unsere Buyer Persona nun eigentlich genau für den Inhaber des „Schnitzelkaisers“ (oder den TV-Koch, der ihn berät)? Welche Erkenntnisse wurden gesammelt? Die Buyer Persona, also eine Art „Über-Gast“ bzw. Wunschkunde, macht deutlich, welche Erwartungen der „Schnitzelkaiser“ erfüllen muss, um erfolgreich zu sein. „Wenn du deinen Laden so veränderst, dass du diese Buyer Persona zufrieden stellen kannst, dann wirst du auch praktisch jeden realen Gast deiner Zielgruppe begeistern können.“
Unsere Buyer Persona liefert einen Input, der für den Inhaber oder TV-Koch sofort umsetzbar ist. Eine richtige Ansprache ist möglich.
Die skizzierten Kundenerwartungen legen Änderungsmaßnahmen nahe. Der TV-Koch wird den oder die Köche jetzt so coachen, dass sie die Schnitzel und Beilagen schneller dem Service übergeben können, er wird ihnen zeigen, wie leicht es ist, ein leckeres, pfiffiges Salatdressing zu kreieren und wie man eine „richtige“ Zigeunersauce zubereitet.
Buyer Personas, die keine Abziehbilder realer oder typischer Kunden sind, können also durchaus das Material liefern, aus dem sich die Maßnahmen entwickeln lassen, die man ergreifen muss, um die Erwartungen realer Kunden zu erfüllen oder noch besser zu erfüllen.