Sind Produkte und Services qualitativ und preislich mehr oder minder gleich, entscheidet die Customer Experience über den Vertriebserfolg. Um die Kauferfahrung ihrer Kunden zu verbessern, müssen Marketing und Vertrieb verstehen, wie der Entscheidungsprozess in diesen Unternehmen funktioniert. Dieses Wissen erarbeiten Sie, wenn sie eine Buyer Persona erstellen.
Im B2B-Marketing ist heute viel von „customer centricity“, „buyer-centric marketing”, „buyer experience“ und Ähnlichem die Rede. Das hat gute Gründe dafür. In einem YouTube-Interview, das schon einige Jahre alt ist, sagt der hellsichtige Sales-Experte Neil Rackham:
„The average company got twice as many competitors as it had just five years ago. It’s a fast moving world.“
Und die Welt bewegt sich weiter. Märkte und Zielgruppen sind heute härter umkämpft als je zuvor. Die Produkte der direkten Wettbewerber gleichen sich immer mehr. Hohe Produktqualität und -zuverlässigkeit sind aus Sicht der Kunden eine Selbstverständlichkeit. Diese unaufhaltsame Dynamik wird auch als Commoditisierung bezeichnet.
Die Customer Experience rückt auch im B2B in den Mittelpunkt
Auch wenn sich die Produkte der Wettbewerber immer mehr ähneln, heißt das nicht, dass die Differenzierung zwischen den Anbietern schwindet. Aber sie verschiebt sich – von der internen Produktseite hin zur externen Kundenseite.
Werden Produkte tendenziell austauschbar, rückt an die Stelle der Produktunterschiede die spezifische Kauferfahrung, die Käufer mit Anbietern machen.
Hier, bei der Interessenten- und Kundenbeziehung, trennt sich nun die Spreu vom Weizen. Der Anbieter, der für Kunden einen höheren Wert generiert, indem er besser auf Erwartungen, Fragen und Bedürfnisse eingeht, ist in dieser neuen Wirtschaftswelt klar im Vorteil. Und das gilt sowohl für B2B als auch für B2C.
Katie Martell schreibt in einem Vorwort zu Ardath Albees „How To Better Understand Your Buyers And Create Customer-Centric Marketing“ deshalb völlig zurecht:
„In an increasingly competitive market, your advantage may just be how well you understand your buyers.”
Die Zielgruppe verstehen – was heißt das konkret?
Hier ein Beispiel: Ein technischer Fachplaner, den wir vor einiger Zeit interviewt haben, berichtete uns, dass sich die Geräte der für ihn relevanten Anbieter primär in der Farbe unterscheiden. Das Produkt von Anbieter A sei blau, das von Anbieter B orange usw. „Die Technik, die da drin verbaut ist, ist jeweils sehr, sehr ähnlich.“
Ruft dieser Ingenieur beim Kundenservice eines Anbieters an, weil er technische Informationen erfragen will, und landet in einer Warteschleife oder bei einem Call-Center-Mitarbeiter, dann „ist dieser Anbieter für mich gestorben. Die Zeit hab ich in meinen Projekten einfach nicht.“
Was folgt daraus?
Anbieter, die sich nicht auf die Situation des Ingenieurs einstellen, sind chancenlos. Dieser Fachplaner möchte möglichst schnell mit einem Kundenbetreuer sprechen, der technisch kompetent ist und ihm bei der Recherche „schnell und gut zuarbeitet“.
Neil Rackham trifft also den Nagel auf den Kopf, wenn er sagt:
„Everyone expects that you can perform and your competitors can perform. You become more of a commodity in that sense. So, what the buyer’s looking for there is not differences between products. They are looking very much more at differences on how they are being sold. Today how you sell has become much more important than what you sell.“
Warum ist die Erstellung von Buyer Personas für B2B Unternehmen wichtig?
Die besten Marktchancen erschließen sich jetzt und in Zukunft diejenigen Unternehmen, die potenzielle Kunden im Kaufentscheidungsprozess (und darüber hinaus) möglichst gut unterstützen. Das ist der Grund dafür, warum Anbieter Buyer Personas entwickeln (oder entwickeln lassen) sollten.
Gute, aussagekräftige Buyer Personas basieren auf ausführlichen Interviews mit Personen aus wichtigen Kundengruppen. Sie beschreiben, wie typische Entscheider*innen ticken und wie sie im Kaufentscheidungsprozess unterstützt werden möchten.
Eine Buyer Persona ist ein recherchebasierter „Archetyp“ realer Zielkunden, der repräsentiert, welche Anforderungen, Wünsche und Ziele diese Kunden während ihrer Buyer’s Journey verfolgen. Im Kern geht es darum, den Entscheidungs- und Kaufprozess bis ins kleinste Detail zu verstehen und dieses Wissen zu nutzen, um Marketing- und Vertriebsaktivitäten (z. B. für Inbound Marketing oder die Erstellung einer Content-Marketing-Strategie) auf den idealen Kunden zuzuschneiden.
Drei Ansätze, um Buyer Personas zu erstellen
Von „Customer-led Growth“ zu reden und davon, die „buyer experience“ in den Fokus zu stellen und Strategien, Taktiken und Botschaften danach auszurichten, ist eine Sache. Eine ganz andere ist es, diese Idee mit Leben zu füllen.
Es gibt unzählige Beiträge zum Thema Buyer Persona: Blogtexte, Whitepaper, E-Books, Bücher. Sie alle lassen sich einem von drei Ansätzen zuordnen:
– „Guessing-Game“
– Multi-methodisches Forschungsdesign
– Interviewauswertung
1.) „Guessing Game“
Der englische Ausdruck zur Bezeichnung dieses Ansatzes ist Adele Revellas Buch über Buyer Personas entlehnt. Die US-amerikanische Unternehmensberaterin ist eine scharfe Kritikerin dieser Vorgehensweise. In „Buyer Personas“ heißt es, sinngemäß übersetzt:
„Jeder würde zustimmen, dass es besser ist, das Mindset der Kunden im Detail zu kennen, als um einen Tisch herum zu sitzen und das alte ‚marketing guessing game‘ zu spielen.“
Effektive Buyer Personas, für die Revella in ihrem Buch plädiert, setzen diesem Ratespiel ein Ende. Aber leider sind die Personas, mit denen Unternehmen heute arbeiten, häufig Guessing-Game-Profile und keine richtigen Zielpersonen.
Buyer-Persona-Templates bringen keinen Mehrwert
Viele Blogbeiträge, die Titel wie „Mit unserer Anleitung in 5 Minuten zur Buyer Persona“ tragen, sind diesem Ansatz zuzuordnen. Sie liefern einen einfachen Steckbrief – ein „Buyer-Persona-Template“.
In einem solchen Template (teilweise auch in Form eines Tools) trägt man oben einen fiktiven Namen ein, z. B. „Marketing-Manuela“ oder „IT-Ingo“. Darunter sind Leerfelder zu Alter, Geschlecht, Job-Titel, Beziehungsstatus, Hobbies usw.
In Meetings, so wird suggeriert, lässt sich dann anhand des Persona-Templates in wenigen Schritten ein zielführender Konsens erzielen: „Unser primärer Zielkunde ist ‚IT-Ingo‘. Er ist 38 bis 42 Jahre alt, hat Informatik studiert, arbeitet in der IT-Abteilung eines mittelständischen Unternehmens, ist ledig und spielt gerne Computerspiele.“ Fertig ist die „Buyer Persona“.
Leider sind solche „gebrainstormten“ Buyer-Persona-Profile für Ihr Unternehmen nutzlos. Es sind grobe Steckbriefe, die auf demografischen Daten bzw. ungeprüften Annahmen basieren und keinerlei Einblick in die Entscheidungsfindung bzw. das Kaufverhalten einer Zielgruppe gewähren. Deshalb können sie Marketing und Vertrieb kaum Anregungen liefern.
2.) Multi-methodisches Forschungsdesign
Diametral entgegengesetzt ist ein Ansatz, der die Buyer-Persona-Erstellung in den Rang einer „harten Wissenschaft“ erhebt. Empfohlen wird ein Mix aus vielfältigen quantitativen wie qualitativen Daten für die Auswertung.
Ein Buyer-Persona-Projekt umfasst diesem Ansatz zufolge:
– die Analyse von Web-Analytics-Daten,
– die Analyse von Social-Media-Daten,
– qualitative Interviews mit Kunden und Interessenten,
– Interviews mit Vertriebs- und Service-Mitarbeiter*innen,
– quantitative Umfragestudien (Surveys) sowie
– die Analyse weiterer In-house-Daten.
Ein Nachteil dieses Ansatzes springt sofort ins Auge: Diese Art der Marktforschung wird äußerst aufwändig und damit auch teuer.
Aber es gibt noch einen zweiten, weniger offensichtlichen Nachteil: Es entsteht eine Masse an Daten, die analytisch kaum noch zu bewältigen ist. Die Gefahr, Datenfriedhöfe anzulegen, ist groß.
3.) Interview-Auswertung
Dieser Ansatz liegt zwischen den beiden Extremen und entspricht der Methode von Adele Revella. Eine Buyer Persona basiert in diesem Fall auf 8 bis 10 offenen Interviews, in denen Entscheider*innen über ihre „Customer Journey“ befragt werden. Diese Gespräche werden anschließend ausgewertet und in Berichte überführt, die für operative Marketing- und Vertriebstätigkeiten nutzbar sind.
Interview-basierte Buyer Personas erstellen
Für welchen der drei Ansätze sollten Sie sich entscheiden? Die Antwort fällt leicht: Den größten „Return On Investment“ liefert der Interview-Ansatz.
Interviewbasierte Buyer-Persona-Entwicklung besteht aus zwei Hauptphasen: Der Interview- und der Analysephase. In der ersten Phase geht es um die Datenerhebung. In der zweiten um die Datenauswertung.
Phase I: Interviews führen
Zunächst müssen Sie die Problemlage klären. Auf dieser Grundlage ermitteln Sie geeignete Interviewkandidat*innen, vorzugsweise Fachentscheider*innen, die vor etwa sechs bis achtzehn Monaten an der Entscheidung für oder gegen ihr Angebot beteiligt waren. Die ausgewählten Personen werden kontaktiert und informiert, Interviewtermine vereinbart.
Dazu müssen Sie eine passende Interview-Einstiegsfrage entwerfen. Wenn das relevante Produkt bzw. der Service relativ komplex sind und dem Kauf daher eine ausgeprägte Buyer’s Journey zugrunde liegt, muss zu Beginn explizit nach dieser gefragt werden. Zum Beispiel:
„Versetzen Sie sich einmal zurück an den Anfang Ihrer Entscheidung. Ich wüsste gerne, was der Auslöser war. Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie sich auf die Suche begeben haben?“
In einem Buyer-Persona-Interview geht es darum, Ansprechpartner*innen an den Anfang der Entscheidungsfindung zurückzuversetzen. Die interviewte Person soll Vorgehensweisen, Auswahlkriterien, Frustrationen, Herausforderungen und Hürden ausführlich schildern.
Buyer-Persona-Interviews werden offen geführt
Sie als Anbieter arbeiten dabei keinen vorgefertigten Fragenkatalog ab, sondern hören sich die Geschichte des Kunden an. Fragen hierzu entwickeln Sie ad hoc im Gesprächsverlauf. Daher spricht man auch von „offenen“ Interviews.
Schmiegen sich Ihre Fragen an das Gesagte an, führt dies zu einem Gespräch, das zahlreiche Informationen über die Gedanken, Ziele und Herausforderungen Ihrer Zielgruppe offenbart. Es wird aufgezeichnet, verschriftet und anschließend ausgewertet.
In der Wortwahl und Schwerpunktsetzung unterscheidet sich jedes Interview vom anderen. Auch die Länge variiert. Ein offenes Buyer-Persona-Interview kann fünfzehn Minuten oder auch eine Stunde dauern.
Im Idealfall können Sie Ihren Kontakt persönlich besuchen, das offene Interview face-to-face führen und mit dem Handy oder Diktiergerät aufzeichnen. Bei größerer Entfernung lässt sich ein offenes Interview aber auch telefonisch durchführen.
Phase II: Interviews auswerten
Die Interviews müssen im nächsten Schritt wörtlich verschriftet werden. Hierbei zeigt sich schnell, wie arbeitsintensiv die Auswertung der Interviews ist. Haben Sie zum Beispiel fünf offene Interviews mit Fachentscheider*innen geführt, kann das Text-Volumen bereits etwa 70 bis 90 DIN A4-Seiten (bei einer Schriftgröße von 12) umfassen.
Anschließend müssen Sie die Interview-Texte in einer strukturellen Analyse auf Buying Insights auswerten (dazu gleich mehr). Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse fassen Sie schließlich in kondensierter Form in einem übersichtlich strukturierten Bericht, einer Präsentation o. Ä. zusammen.
Die 5 Buying Insights – das bringen gute Buyer Personas wirklich
Die typischen Erwartungen, Herausforderungen, Hindernisse und Bedürfnisse, die Kunden auf der „Kaufentscheidungsreise“ begegnen, müssen zu einem Buyer-Persona-Typus verdichtet und in einer leicht verständlichen Weise aufbereitet werden. So haben die Mitarbeiter*innen des Unternehmens die Buyer Persona auch vor Augen, wenn Sie z. B. eine E-Mail oder einen Blogbeitrag schreiben oder eine neue Kampagne auf die Beine stellen.
Bei der Auswertung der Interviews geht es im Kern darum, die gesamte Buyer’s Journey der Befragten zu rekonstruieren und darin Muster zu erkennen, die sich für die operative Arbeit in Marketing und Sales nutzen lassen.
Orientierung bieten bei dieser Aufgabe die 5 Rings of Buying Insights, die Adele Revella in ihrem Buyer-Persona-Buch vorstellt:
Investitionsauslöser
Der Investitionsauslöser beschreibt, warum ein Kunde in eine bestimmte Lösung investiert hat (oder es noch tun will). Zugleich untersuchen Sie, warum andere Unternehmen aus Ihrer Zielgruppe mit dem Status Quo zufrieden sind. Im Vordergrund steht eine Veränderung in der Umwelt des Unternehmens. Diese hat die Suche nach einer Lösung erst in Gang gesetzt.
Erfolgsfaktoren
Die Erfolgsfaktoren beschreiben die positiven Szenarien und Ergebnisse, die sich Käufer vom Erwerb eines Produkts oder einer Dienstleistung erwarten. Hier betrachten Sie die Ergebnisse, die sich der Kunde vom Kauf des Produkts verspricht.
Typische Hürden
Nimmt ein Kunde ein Problem wahr, heißt das nicht, dass er sich problemlos für eine Lösung entscheidet. Wahrgenommene Hürden halten Entscheider*innen häufig vom Kauf ab – es sind Faktoren, die eine Entscheidung hinauszögern oder sogar verhindern. Dieser Fokusaspekt bringt häufig negative Erfahrungen mit spezifischen Anbietern oder Produkten zu Tage. Auch fehlende Produkteigenschaften fallen unter diese Kategorie. Kunden, die sich für einen Wettbewerber entschieden haben, teilen Ihnen an dieser Stelle die Begründung mit.
Mitentscheider
Diese Einsicht bietet einen Blick hinter die Kulissen, denn sie befasst sich mit der eigentlichen Entscheidungsfindung. Sie zeigt, wie Entscheider Optionen evaluieren, Kandidaten eliminieren und schließlich ihre endgültige Wahl treffen. Dabei geht es nicht nur um Mitentscheider*innen, sondern auch um Quellen, denen Ihre Kunden vertrauen (z. B. Suchmaschinen oder Peer-Empfehlungen). Im Fokus stehen alle Faktoren, die die eigentliche Entscheidung beeinflussen.
Entscheidungskriterien
Wenn Kunden verschiedene Anbieter miteinander vergleichen, geschieht das meist auf Basis von Produkteigenschaften. Dieser Aspekt umfasst die individuellen Evaluationskriterien, die hierbei zum Einsatz kommen. Hier beschreiben Kunden, wie sie bestimmte Optionen ausschlossen und warum andere Lösungen weiterhin im Spiel blieben. Es geht also um Lösungsmerkmale, die aus Käufersicht für den Erfolg nötig sind.
Buying Insights strukturieren
Eine sinnvolle Vorgehensweise bei der Auswertung der Interviews besteht darin,
- jedem Insight eine Farbe zuzuweisen,
- die Interviews durchzugehen und
- die entsprechenden Passagen farbig zu markieren.
Wenn es sich um gut geführte offene Interviews handelt, werden Sie feststellen, dass sich alle fünf Farben in sämtlichen Interviews finden lassen. Nur die Gewichtung wird variieren, d. h. in dem einen Interview gibt es z. B. mehr grüne und rote Passagen als in einem anderen.
Sie können anschließend alle Passagen aus den verschiedenen Interviews zu Insight 1 zusammenstellen und auf Überschneidungen und Differenzen hin analysieren. Das gleiche machen Sie dann mit den anderen Fokusperspektiven.
An der Oberfläche wirken die Passagen zu einem Insight oft recht unterschiedlich. Doch die darunter liegende strukturelle Gemeinsamkeit, die in der Analyse zu Tage tritt, ist in der Regel erstaunlich groß. Diese Ähnlichkeit bemerkt man während des Interviews oft gar nicht.
Dazu ein Beispiel
Wir haben offene Interviews geführt, in denen wir die Interviewten unter anderem danach fragten, ob sie Aufträge eher über den Webshop oder eher über das Telefon platzieren. Die Antworten erschienen uns während des Interviews recht unterschiedlich:
– Eine junge, webaffine Interviewte sagte: „Klar, Webshop ist als Plattform ganz wichtig, auch als Recherche-Instrument natürlich, also ich bin da oft drauf, schau mir das an, was gibt’s Neues …“
– Ein anderer, älterer Interviewpartner: „Nee, wir sind hier, muss ich gestehen, noch ziemlich analog, Webshop ist eigentlich kein Ding, wenn ich mehr als dreimal klicken muss, dann ruf ich an, ja, also wir rufen an.“
– Die webaffine Interviewte sagte dann im Interview an späterer Stelle, recht leise, wie nebenbei: „Also meistens, muss ich sagen, rufen wir schon auch an, geht ja doch schneller, man kann nachfragen und so.“
– Und jemand anders wiederum: „Also ich bin natürlich schon auch öfter mal im Webshop und Standardaufträge laufen auch natürlich schon mal darüber“.
Direkt nach den Interviews teilten wie die Gesprächspartner*innen zunächst den Kategorien „Webshop-Besteller“ und „Telefon-Besteller“ ein. Bei der Analyse der Passagen merkten wir allerdings, dass deren Gemeinsamkeiten viel größer sind als die Differenz.
Beide benutzen den Webshop als Rechercheinstrument und platzieren darüber gelegentlich Standardaufträge. Doch die meisten Aufträge laufen über die von allen Interviewten sehr geschätzten und als kompetent eingestuften Kundenberater*innen.
In der Analyse der Interviewpassagen müssen Sie die auf der Oberfläche befindlichen inhaltlichen Differenzen, die auf der Darstellungsebene liegen, überwinden. Die Textanalyse muss sich zu den in der Tiefe liegenden strukturellen Übereinstimmungen durcharbeiten und diese prägnant herausstellen.
Der Bericht, der aus dieser Analyse hervorgeht, wird nach den fünf Buying Insights übersichtlich strukturiert und präsentiert genau diese tiefer liegenden Parallelen.
Und wenn es keine konkrete Buyer’s Journey gibt?
Führt man eine Buyer-Persona-Analyse für ein Unternehmen durch, das Produkte anbietet, denen keine ausgedehnte Buyer’s Journey zugrunde liegen, dann muss nach der Zufriedenheit, Verbesserungsmöglichkeiten oder Ähnlichem bezüglich eines Produkttyps gefragt werden. Sie erfahren auch in diesem Fall von den Erwartungen und Bedürfnissen der Kunden (und den Faktoren, die diese Erwartungen steuern). Allerdings müssen Sie die Kategorien, nach denen Sie die Interviewanalyse strukturieren, aus dem Datenmaterial selbst erschließen.
Eine Buyer Persona erstellen – hilft das nur dem Marketing?
Buyer-Persona-Entwicklung ist eine Marketing-Methode – keine Frage. Aber ist es eine Methode, die ausschließlich dem Marketing einen Nutzen bringt?
Die klare Antwort lautet: nein!
Wenn Sie eine Buyer Persona entwickeln, überschreiten Sie zwangsläufig die Grenzen der Marketing-Abteilung und betreten die Domäne des Vertriebs. Dies erfordert eine engere Zusammenarbeit zwischen beiden Bereichen.
In den USA wird eine solche Kooperation in einigen Unternehmen inzwischen sogar von oben erzwungen. Marketing- und Vertriebsabteilungen werden dort aufgelöst und in einem neuen Funktionsbereich zusammengeführt. Aber das schafft neue Probleme.
Zumal beide Bereiche sich aufgrund ihrer konträren Perspektive – das Marketing denkt in 1:n-, der Sales eher in 1:1-Beziehungen – sehr gut ergänzen können.
Kooperation dank Buyer Personas
Der Buyer-Persona-Ansatz kann diesen Prozess des Zusammenrückens unterstützen. Wenn das Marketing als eine Abteilung wahrgenommen wird, die Personas auf der Grundlage offener Kundeninterviews entwickelt, werden diese Buying Insights (bzw. Customer Insights) das Interesse des Vertriebs wecken.
Eine Buyer Persona kann somit die Verbindungschiene liefern, über die sich Marketing und Sales annähern können. Wenn das Marketing den Stimmen der Kunden Gehör verleiht, kann es dem Vertrieb produktiven Input liefern.
Vertriebsmitarbeiter*innen, die direkt mit den Kunden interagieren, wissen wie nützlich es ist, mehr über deren Erwartungen, Wünsche und Probleme zu erfahren. Kundenwissen ist Macht. Je besser ein Vertriebsmitarbeiter weiß, wie sein Gegenüber „tickt“, welche Bedürfnisse er hat und was ihn an der angebotenen Lösung zweifeln lässt, desto besser kann er sich auf den Kunden einstellen. Das erhöht die Chance auf einen erfolgreichen Abschluss.
Umgekehrt können Marketing-Teams, die die Buyer Persona entwickeln, für ihre Arbeit von dem Kundenwissen profitieren, über das die Vertriebsmitarbeiter infolge ihrer direkten Kundenkontakte immer schon verfügen. Sie können dadurch besseren Content erstellen, die Pain Points von Wunschkunden gezielt ansprechen und sich auf der Kommunikationsebene effektiver von den Produkten und Dienstleistungen der Mitbewerber abgrenzen.
Buyer Personas können aber noch mehr leisten. Sie können auch zu Produktinnovationen beitragen. Dafür müssen gewonnene Erkenntnisse strukturiert in die Produktentwicklung getragen werden.
Dazu ein Beispiel aus der Praxis
Beko, ein türkischer Hersteller von Haushaltsgütern, führt traditionell Interviews mit potenziellen Konsumenten durch, bevor ein Haushaltprodukt auf den internationalen Markt kommt. Interviews mit chinesischen Kunden führten Beko dazu, einen Kühlschrank zu entwickeln, der sich deutlich von allem unterscheidet, was in westlichen Ländern verkauft wird.
Es ist kein Geheimnis, dass Reis in China ein Grundnahrungsmittel ist. Aber erst durch die Kunden-Interviews erfuhr Beko, dass die Menschen dort einen Kühlschrank wollten, in dem sie Reis bei geringer Luftfeuchtigkeit und einer Temperatur von 10 Grad Celsius aufbewahren können. Bei konventionellen Kühlschränken ist die Temperatur deutlich niedriger.
Dieses durch Interviews generierte Wissen führte zu einem neuartigen Kühlschrank. Statt der üblichen zwei Kühlstufen enthält er für den chinesischen Markt drei Fächer, die jeweils mit Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsreglern ausgestattet sind.
Der Kühlschrank wurde in China ein Verkaufsschlager. 2013 erhielt Beko für dieses Produkt auf der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin eine Innovationsauszeichnung.
Fazit
Über Buyer Personas kursieren viele Mythen. Die Wahrheit ist: Informationen wie Alter, Geschlecht oder Beziehungsstatus haben nur eine begrenzte Aussagekraft, wenn es im B2B-Bereich um Kaufentscheidungen geht. Um echte Buyer Personas zu erstellen, müssen Sie sich auf die Faktoren konzentrieren, die den Kauf unmittelbar beeinflussen.
Offene Interviews sind, wenn sie professionell durchgeführt werden, eine äußerst reichhaltige Informationsquelle zur Entwicklung einer aussagekräftigen Buyer Persona. Sie sind mit einer Mine vergleichbar, die eine große Goldader enthält. Eine solche Goldader zu entdecken, ist eine Sache, eine Tasche voller Goldbarren auf den Tisch stellen zu können, eine andere. Das Gold muss erst geschürft, gereinigt und in handhabbare Barren umgegossen werden.
Anders ausgedrückt: Die Bedeutung, die der Interview-Analyse zukommt, sollte nicht geringeschätzt werden. Sie können im Hinblick auf Ihre Fragestellung extrem aufschlussreiche Interviews führen. Wenn Sie jedoch nicht wissen, wie Sie die relevanten Informationen erschließen, daraus Schlussfolgerungen ziehen und Ergebnisse bündeln können, wird Ihre Buyer Persona am Ende recht blass wirken.