Viele B2B-Unternehmen wollen sich bei der Lead-Generierung und im Lead Nurturing nicht länger auf einzelne Personen beschränken. Ihr Fokus richtet sich stattdessen auf ganze Ziel-Accounts, also auf alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bei ihren (potentiellen) Top-Kunden an einer Kaufentscheidung beteiligt sind. Deswegen ist Account-based Marketing (ABM) auch in Deutschland immer stärker auf dem Vormarsch.
Charakteristisch für ABM ist die Idee, Marketing für einzelne Accounts zu betreiben. Um das zu schaffen, braucht es allerdings Ressourcen, die viele Unternehmen nicht investieren möchten. Sei es, weil sie diese Ressourcen nicht haben. Oder weil ihre Ziel-Accounts nicht die Marge versprechen, die ein solches 1:1-Marketing rechtfertigt.
Aufgrund der Vorteile, die ABM für Unternehmen bietet, und der Erfolge, die sich deswegen einstellen, gehen manche Unternehmen einen Kompromiss ein. Sie entscheiden sich für neue Varianten. Varianten, die ABM für einen großen Kreis an Unternehmen möglich machen. Welche ABM-Form sich für Sie am besten eignet, schauen wir uns in diesem Beitrag genauer an:
Das Original: Strategisches Account-based Marketing
„Treating individual accounts as a market in their own right.“
(Individuelle Accounts (Kunden) wie ein eigenständiges Marktsegment behandeln).
Dieser ersten Definition des Marktanalyseunternehmens ITSMA (Information Technology Services Marketing Association) wird nur das strategische Account-based Marketing wirklich gerecht. Hierbei geht es tatsächlich darum, individuelle Marketing-Maßnahmen für einzelne Top-Accounts zu entwickeln. Diese Maßnahmen sind idealerweise derart zielgerichtet, dass ein enges Band zwischen Anwenderunternehmen und Account entsteht.
Essentiell dafür ist zum einen Content, der ein tiefes Verständnis der spezifischen Herausforderungen des Accounts vermittelt. Zum anderen die Entwicklung von hochindividuellen Strategien und Marketing-Maßnahmen, beispielsweise auf den Account ausgerichtete Events und Whitepaper. Dadurch entwickelt sich im besten Fall ein Verhältnis zwischen Kunde und Anbieter, von dem beide Seiten massiv profitieren:
- Der Kunde, weil sein Anbieter ihn dabei unterstützt, seine Herausforderungen geschickter als der Wettbewerb zu bewältigen.
- Der Anbieter, weil er seinen Top-Kunden mithilfe werthaltiger Angebote eng und dauerhaft an sich bindet.
Um individuelles Marketing für ihre Top-Accounts zu entwickeln, setzen Anwender sehr stark auf Software-Lösungen. Sie liefern tiefgehende Account-Insights, ermöglichen zielgerichtete Kommunikation sowie account-weites Retargeting.
Technologie ist jedoch nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehen Strategieentwicklung, Content-Produktion und Account-Pflege. Daher ist strategisches ABM für das Marketing, aber auch für den Vertrieb mit hohem Ressourceneinsatz verbunden. Zumal sich beide Abteilungen in enger Abstimmung meist nicht bloß um einen Account, sondern individuell um 20 oder mehr Top-Kunden kümmern, die jeweils eigene Probleme und Bedürfnisse haben.
Daher ist dieser Ansatz in der Regel nur für große Unternehmen geeignet, die das Budget und Know-how stellen können. Oder für hochspezialisierte Unternehmen, deren Angebot sich ohnehin nur an eine überschaubare Zahl an Ziel-Kunden richtet.
Der Kompromiss: Account-based Marketing lite
Verständlicherweise haben viele Anbieter nicht die Ressourcen, um für ihre wichtigsten Ziel-und Bestandskunden ein solches One-to-One-Marketing durchzuführen. Daher arbeiten viele Anwender mit einer Lite-Variante von ABM, die gerne als „One-to-few-Model“ bezeichnet wird. Sie richten ihr Marketing also nicht an einzelne Top-Accounts, sondern an kleine Account-Gruppen, die für sie einen besonders hohen Mehrwert versprechen.
Typischerweise identifizieren Unternehmen bei dieser Variante zwischen fünfzig und tausend Accounts, auf die ihr ABM abzielt. In der Regel handelt es sich dabei um Ziel-Kunden, die ähnlich groß sind, aus derselben Branche stammen und daher dieselben Anforderungen und Probleme aufweisen. Das können zum Beispiel die größten Versicherungsunternehmen in Deutschland sein oder die umsatzstärksten Maschinenbauunternehmen mit Produktionsstandorten in Deutschland.
Die Zusammenarbeit mit dem Vertrieb konzentriert sich in dieser ABM-Stufe weniger auf einzelne Accounts denn auf Investitionen, die mehrere von ihnen betreffen. Haben beide Seiten definiert, welche Zielkunden sie mit ABM bearbeiten wollen, entscheiden sie gemeinsam, welche Themen (Herausforderungen, Angebote etc.) für die Accounts interessant sind, welche Marketing-Maßnahmen sie treffen und auf welchem Weg sie Inhalte kreieren bzw. wiederverwerten, die für alle Accounts relevant sind.
ABM ist eine Strategie aus dem Bereich der Demand Generation (Nachfragegenerierung). Wenn Sie über diesen Ansatz mehr lesen wollen, empfehlen wir Ihnen unseren Beitrag „Demand Generation im B2B Marketing„. Darin erklären wir die wichtigsten Prinzipien, Methoden und Strategien.
Im Vergleich zum strategischen ABM ist das Lite-Modell eine Art Kompromiss. Grundsätzlich ist es etwas ressourcenschonender als die klassische Form des Account-based Marketings. Schließlich konzentrieren Anwender ihre Mittel gleichzeitig auf mehrere Accounts. Dadurch ergeben sich beispielsweise mehr Möglichkeiten im Einsatz von Software-Lösungen. Damit lassen sich Strategien, Prozesse und Analysen entwickeln, die die ABM-Programme für eine größere Zahl an Top-Kunden betreffen.
Logischerweise ist allerdings auch der Ertrag, der sich durch ABM Lite ergibt, in aller Regel geringer als im strategischen ABM. Schließlich sind die Bande, die Anwender zu ihren Accounts entwickeln, etwas weniger stark als im klassischen Modell.
Der Hybrid-Ansatz: Programmatic Account-based Marketing
Die unterste ABM-Stufe ist zugleich die jüngste. Sie ist durchaus mit klassischem Massenmarketing zu vergleichen – mit dem zentralen Unterschied, dass Anwender sich auch hier nicht an einzelne Personen, sondern an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihrer Ziel-Accounts richten. Dabei weist die Programmatic-Variante Elemente von traditionellem Inbound- und Outbound-Marketing, ABM und Key-Account-Vertrieb auf.
In diesem Hybrid-Ansatz sind noch deutlich gröbere Segmentierungen denkbar als in der Lite-Variante. Vorstellbar ist zum Beispiel, dass Anwender ihr ABM an alle Unternehmen in Deutschland in fünf ausgewählten Branchen richten. Das sind schnell viele Tausend Unternehmen, für die segmentorientierte Programme entwickelt werden. Sie alle werden mit einer einheitlichen ABM-Strategie bearbeitet, die Marketing und Vertrieb auch hier gemeinsam entwickeln.
Die Hybrid-Form ist besonders für Unternehmen geeignet, für die sich der Ressourceneinsatz in den ersten beiden Stufen nicht lohnt. Beispielsweise weil einzelne Accounts für sie keinen Gewinn versprechen, der einen One-to-One- oder den One-to-a-few-Ansatz rechtfertigen würde. Genauso eignet sich die unterste Stufe des ABM für Einsteiger, die noch nicht sicher sind, ob dieser Marketing-Ansatz für sie das Richtige ist: Sie können auf ressourcenschonende Weise mit ABM experimentieren, ohne gleich eine Menge Ressourcen in einzelne Top-Kunden zu investieren.
Naturgemäß verringert dieses Vorgehen den Aufwand auf Anwender-Seite noch einmal beträchtlich. So lassen sich beispielsweise mithilfe entsprechender ABM-Software Prozesse automatisieren, die eine große Zahl an einzelnen Accounts betreffen. Allerdings gilt auch hier: Die Erträge, die sich durch diesen Hybrid-Ansatz ergeben, sind im Schnitt deutlich geringer, als in den höheren Stufen des ABM.