Lead Nurturing (und Management) zählen zu den wichtigsten Disziplinen im Inbound Marketing. Gerade in B2B-Branchen ist es auch eine der schwierigsten. Interessentinnen und Interessenten die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt zu liefern, erfordert tiefes Wissen über die Bedürfnisse, die diese Unternehmen auf ihrer Customer Journey stillen möchten. Dieses Wissen strukturiert zu entwickeln und zu operationalisieren, ist eine komplexe Aufgabe.
Schon beim Einstieg in das Thema Lead Nurturing ergeben sich für Anwenderinnen und Anwender in Unternehmen zahlreiche Fragen. Die zehn wichtigsten beantworten wir Ihnen in diesem Beitrag.
1: Was bedeutet Lead Nurturing?
Inbound Marketing wird oft als Werkzeug für die Generierung von hochwertigen Leads bezeichnet. Das ist etwas unpräzise: Denn mit Inbound Marketing generieren wir die Leads nicht nur, sondern qualifizieren sie auch für den ersten Kontakt mit dem Vertrieb. Diesen Prozess bezeichnet man als Lead Nurturing (vom engl. Verb „to nurture“ = nähren, pflegen, erziehen).
Beim Lead Nurturing unterstützen wir Leads aktiv und kontinuierlich mit relevanten, hochwertigen Informationsangeboten, die zu ihrem Status im Entscheidungsprozess passen. Diese Kommunikation findet in der Regel per E-Mail (mithilfe eines Systems für Marketing-Automation) oder mit personalisierten Anzeigen statt. Das Ziel besteht darin, Leads bei der Entscheidungsfindung zu helfen, auf diesem Weg Vertrauen aufzubauen und sie auf den Kontakt mit dem Vertrieb vorzubereiten.
2: Warum ist Lead Nurturing für Inbound Marketing & Neukundengewinnung wichtig?
B2B-Kaufentscheidungen dauern oft mehrere Monate. Lädt ein potentieller Kunde eines Ihrer Download-Angebote herunter, ist es eher unwahrscheinlich, dass dieser Lead bereits mit Ihrem Vertrieb sprechen will. Ihn einfach aus dem Raster fallen zu lassen, geht natürlich auch nicht. Stattdessen bringen wir uns mit Lead Nurturing in eine gute Position für die finale Entscheidungsfindung.
3: Richtet sich der Lead-Nurturing-Prozess wirklich nur an Leads?
Nein. Je nachdem, welche Produkte und/oder Dienstleistungen Sie verkaufen, kann Lead Nurturing auch Up- und Cross-Selling-Potentiale schöpfen, Bestandskunden enger an Sie binden und alte Kunden von Ihrer Konkurrenz zurückgewinnen. Daraus folgt auch: Lead Nurturing hat in vielen Fällen keinen Endpunkt.
4: Was brauchen Sie für die gezielte Weiterqualifizierung von Leads?
Für effektives Lead Nurturing benötigen Sie vier Dinge:
- Ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen und Kaufentscheidungsprozesse Ihrer Kunden (siehe Frage 7).
- Eine Strategie, die zum Entscheidungsverhalten dieser Unternehmen passt.
- Content-Angebote, die für die einzelnen Stufen im Kundenentscheidungsprozess Mehrwert bieten (siehe Frage 6).
- Software-Tools für die technische Umsetzung Ihrer Workflows (v. a. Marketing Automation, denn nur so können Sie Prozesse automatisieren).
Darüber hinaus ist es hilfreich, wenn jemand in Ihrem Team bereits Erfahrung mit Lead Nurturing gesammelt hat. Ansonsten besteht das Risiko, Anfängerfehler zu begehen, die Sie bei potentiellen Kunden in ein schlechtes Licht rücken.
5: Was sind Nurturing-Workflows?
Workflows sind das strategische Grundgerüst des Lead Nurturings. Es sind „Informationsstrecken“, mit denen Sie interessierte Unternehmen während des Kaufentscheidungsprozesses sukzessive unterstützen. Das kann in etwa so aussehen:
- Ein potentieller Kunde steht vor einer Herausforderung, für die Ihr Produkt geeignet ist. Er lädt bei Ihnen ein Whitepaper herunter, in dem Sie auf diese Herausforderung eingehen und die Vorteile der von Ihnen vertriebenen Lösung (nicht Ihres eigenen Produktes!) benennen.
- Der Lead ist jetzt in Ihrem System und zeigt durch sein Verhalten auf Ihrer Webseite weiteres Interesse an Ihrem Angebot. Nun kann der Nurturing-Prozess beginnen. Zwei Wochen nach dem ersten Kontakt schicken Sie ihm unaufgefordert ein zweites Informations-Angebot, in dem Sie genauer auf die Spezifikationen Ihres Produktes oder Ihrer Dienstleistung eingehen.
- Lädt der Lead dieses Angebot herunter, geht das Spiel weiter. Als nächstes schicken Sie ihm Content, in dem Sie ihm Tipps für die Wahl des richtigen Lösungsanbieters geben.
- Erst im letzten Schritt unseres fiktiven Szenarios werden Sie offensiver: Sie bieten dem Lead eine Produktdemo, eine Case Study oder ähnlich gearteten Content an. Sie geben ihm einen Eindruck davon, wie sich die Zusammenarbeit mit Ihnen in der Praxis anfühlt.
Das ist ein sehr stark vereinfachtes Beispiel. In Wirklichkeit sind Lead-Nurturing-Strecken wesentlich komplexer. Sie sind nicht nur länger, sondern berücksichtigen auch, wenn ein Lead eines ihrer Angebote ignoriert. Dafür benötigen Sie alternative Handlungspfade (z. B. Whitepaper A im Falle einer positiven Reaktion, Blogbeitrag B im Falle einer negativen), die Sie für alle Eventualitäten wappnen.
6: Welche Content-Angebote gehören in meine Nurturing-Workflows?
Die meisten Unternehmen orientieren sich bei der Konzeption ihrer Nurturing-Strecken an den Phasen einer typischen Customer Journey:
Awareness: Der potentielle Kunde steht vor einer Herausforderung und hat noch keine Vorstellung von geeigneten Lösungen. Er beginnt, sich über sein Problem und seine Handlungsoptionen zu informieren.
Consideration: Als nächstes sammelt der potentielle Kunde Informationen über die Produkte und Dienstleistungen, die als Lösung für seine Herausforderung in Frage kommen. Dazu fängt er damit an, Lösungen und Anbieter zu vergleichen.
Decision: Der Kunde hat seine Wahl eingegrenzt und beschäftigt sich nur noch mit einer Handvoll Anbietern. Er will nun so viel wie möglich darüber erfahren, wie sich eine Zusammenarbeit mit den Anbietern in der Praxis gestaltet.
Retention & Advocacy: Das Angebot wird im Unternehmen implementiert. Bestenfalls ist der Kunde so zufrieden, dass er den Anbieter weiterempfiehlt.
Für die jeweiligen Phasen der Kaufentscheidung muss Ihr Content Marketing passende Informationsangebote erstellen. Unsere Grafik zeigt, welche Formate und Inhalte sich für welche dieser Phasen eignen:
7: Woher soll ich wissen, was meine Leads in welcher Stufe im Funnel erfahren möchten?
Die Phasen einer typischen Customer Journey geben Ihnen eine Vorstellung davon, wie der Entscheidungsprozess Ihrer Kunden funktioniert. Die besten Ergebnisse erzielen Sie im Lead Nurturing aber erst dann, wenn Sie noch wesentlich mehr Wissen über Ihre Kunden sammeln.
Die beste Methode hierfür sind professionell erstellte Buyer-Persona-Analysen. Buyer Personas sind archetypische Repräsentanten Ihrer verschiedenen Kundentypen. Sie zeigen Ihnen, wie dieser Kundentypus tickt, welche Ziele sein Handeln antreiben und wie er seine Kaufentscheidungen trifft.
Buyer Personas sind das Resultat einer fundierten Analyse, die auf Interviews mit Kunden basiert. Sie ermöglichen es, typische Kaufentscheidungsprozesse anhand der 5 Rings of Buying Insights zu verstehen:
- Investitionsauslöser (Was treibt den Kunden an?)
- Erfolgsfaktoren (Was verspricht er sich von einer Lösung?)
- Typische Hürden (Was kann seine Entscheidung verzögern oder verhindern?)
- Entscheidungseinflüsse (Welche Personen und Quellen sind für die Entscheidung relevant?)
- Entscheidungskriterien (Welche Auswahlfaktoren liegen im Fokus des Kunden, während er seine Lösungsoptionen abwägt?)
Alternativ besteht die Möglichkeit, Kundenwissen in Form von internen, abteilungsübergreifenden Workshops zu sammeln. Die Ergebnisse solcher Team-Meetings sind zwar weniger fruchtbar als Buyer Personas. Das ist aber immer noch besser, als bei der Entwicklung Ihrer Nurturing-Strategie im Dunkeln zu tappen.
8: Wie bewerte ich, wie mein Informationsangebot bei Leads ankommt?
Die Art, auf die Leads auf Ihre Workflows reagieren zeigt, wann Ihr Kontakt bereit für ein Gespräch mit Ihrem Vertrieb ist. Deswegen dokumentieren Sie seine Interaktionen mit Ihrem Informationsangebot in einem persönlichen Lead-Scoring-Profil. Um den Reifegrad des potentiellen Kunden einschätzen zu können, bewerten Sie darin jede seiner Aktionen anhand eines Punktesystems.
Dazu ein paar Beispiele:
- Für den ersten Download des Leads auf Ihrer Webseite könnten Sie z. B. 10 Punkte vergeben. Zeigt er danach Interesse an einem thematisch ähnlichen Content-Format, steigern Sie die Punktzahl auf 20.
- Öffnet der Lead eine Ihrer Nurturing-E-Mails oder Social-Media-Anzeigen, berücksichtigen Sie dies mit einem geringeren Punktewert. Z. B. 1 Punkt für die erste geöffnete E-Mail, 2 für die Zweite und drei für die Dritte.
- Bewegt sich der Lead auffällig häufig auf einer Ihrer Angebotsseiten oder liest er einen Ihrer Blogbeiträge, verzeichnen Sie das ebenfalls (z. B. 3 Punkte für die Angebotsseite; 5 Punkte für den Blogbeitrag o. ä.).
- Ignoriert ein Lead Ihre Informationsangebote, können Sie ihm auch wieder Punkte abziehen. Verzichtet er z. B. darauf, ein Download-Angebot in einer Ihrer E-Mails wahrzunehmen, könnten Sie ihm 10 Punkte abziehen.
Bei der Entwicklung Ihres Punktesystems müssen Sie jede Aktion berücksichtigen, die Ihr Lead in Bezug auf Ihren Content treffen kann. Darüber hinaus sollten auch seine demographischen Daten in die Bewertung einfließen: Z. B. die Branche des Arbeitgebers, die berufliche Position und die Rolle im Entscheidungsprozess.
Wichtig ist, dass die Punkte nur für einen bestimmten Zeitraum relevant sind. Dauert ein typischer Entscheidungsprozess bei Ihren Kunden z. B. ein Jahr, sollten Sie nach dieser Zeit den Lead Scoring Wert des Kontaktes löschen. Andernfalls häufen sich Punkte über mehrere Jahre an und verwässern die Aussagekraft des Scoring-Profils. Ein Lead, der Ihr Content-Angebot schätzt und alle ein, zwei Jahre eines Ihrer Download-Angebote herunterlädt, wirkt dann z. B. wie ein Hot Lead, der er eigentlich gar nicht ist.
Bei der Wahl Ihres Lead-Scoring-Modells haben Sie mehrere Möglichkeiten. Sie können z. B. einen Gesamtscore für alle Aktivitäten eines Leads anlegen oder die Aktivitäten bezogen auf Ihre Angebote clustern. Haben Sie mehrere Leads aus einem Unternehmen, kann es darüber hinaus Sinn ergeben, ein Gemeinschaftsprofil anzulegen.
9: Wann ist ein Lead bereit für eine persönliche Kontaktaufnahme?
Innerhalb Ihres Online-Sales-Funnels durchlaufen Ihre potentiellen Kunden unterschiedliche Entwicklungsstadien: Sie informieren sich zunächst anonym auf Ihrer Webseite. Vom Besucher zum Lead werden sie, wenn sie ihre Kontaktdaten gegen ein Informationsangebot (Download-Content, Webinar-/Newsletter-Anmeldung etc.) eintauschen. Zeigt dieser Lead durch weitere Interaktionen mehr als dieses erste Interesse, bezeichnen wir ihn als Marketing Qualified Lead (MQL) – einen aussichtsreichen Kontakt, den wir aktiv mit unseren Nurturing-Workflows bearbeiten.
Zum Sales Qualified Lead (SQL) – einem Lead, der bereit für eine Kontaktaufnahme ist – wird Ihr Kontakt, wenn er entweder einen von Ihnen definierten Punktewert erreicht hat oder aktiv auf ihr Unternehmen zugeht. An diesem Punkt erfolgt die Übergabe an den Vertrieb. Je nachdem, wie die Verkaufsgespräche verlaufen, entwickelt sich der SQL zu einer Opportunity – einem besonders aussichtsreichen Sales-Kontakt – und im Idealfall zu einem zahlenden Kunden.
10: Ist Lead-Nurturing ein reines Marketing-Thema?
Nein! Gerade bei der Strategieentwicklung ist es wichtig, dass Sie Personen ins Boot holen, die regelmäßig Kontakt zu Ihren Kunden haben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Vertrieb und Service wissen in der Regel sehr gut Bescheid über die Eigenarten, Bedürfnisse und Gewohnheiten Ihrer Kunden. Diese Informationen sind für die Feinarbeit an Ihren Workflows von großem Wert!