Warum entwickeln Unternehmen Buyer Personas oft falsch?
Viele B2B-Unternehmen setzen auf Buyer Personas, um sich ihre Zielgruppen besser vorstellen zu können. Das ist an sich sehr sinnvoll. Doch häufig beruhen diese Profile auf internen Annahmen in Vertrieb oder Marketing. Stattdessen sollten Sie auf den Erfahrungen tasächlicher Kunden basieren, die Sie direkt bei den Entscheider:innen erheben sollten. Dieses Versäumnis führt dazu, dass Unternehmen ihre Kunden nicht wirklich verstehen, sondern nur das festhalten, was sie ohnehin glauben.
Der Hauptgrund für diese Verzerrung ist der Confirmation Bias – ein Denkfehler, der dazu führt, dass wir Menschen nur diejenigen Informationen akzeptieren, die bestehende Überzeugungen bestätigen, während wir widersprüchliche Hinweise ignorieren.
Gerade im B2B-Marketing kann dieser Bestätigungsfehler, wie der Bias im Deutschen heißt, schwerwiegende Folgen haben:
- Entscheidungsprozesse werden rein aus der Vertriebsbrille betrachtet. Dabei setzen sich Entscheider:innen die ersten 2/3 des Prozesses vor allem mit Marketinginformationen auseinander. Erst im letzten Drittel der Journey kommt es zum Direktkontakt mit den Verkäufer:innen. Wenn also die Vorstellungen über die Customer Journey fehlerhaft sind, werden die Marketingkampagnen die Entscheider:innen nicht erreichen.
- Unternehmen übersehen wichtige Veränderungen im Markt. In der Folge reagieren sie zu spät auf Veränderungen.
- Kundenbedürfnisse werden falsch interpretiert. Dies führt zu Produkten, die am Markt nicht ankommen.
Dieser Artikel beschränkt sich auf den ersten Punkt und zeigt, warum der Confirmation Bias eine der größten Herausforderungen in der Entwicklung von Buyer Personas ist – und wie B2B-Unternehmen ihn mithilfe kundenzentrierter Methoden wie Buyer Personas nach Adele Revella und Customer-Led Growth (CLG) vermeiden.
1. Was ist der Confirmation Bias – und warum ist er im B2B besonders gefährlich?
Der Confirmation Bias (Bestätigungsfehler) beschreibt die menschliche Tendenz, nur diejenigen Informationen wahrzunehmen und zu akzeptieren, die bereits bestehende Meinungen oder Annahmen bestätigen. Kritische oder gegensätzliche Daten blenden Menschen aus oder tun sie als unwichtig ab.
Beispiel aus dem B2B: Ein Unternehmen ist überzeugt, dass seine Kunden sich hauptsächlich für technische Features interessieren. Die Vertriebsabteilung bestätigt dies immer wieder – aber niemand hinterfragt, ob das wirklich das Hauptkaufkriterium ist oder ob andere unerkannte Faktoren eine größere Rolle spielen. Faktisch aber spielt bei den Entscheider:innen die Anwenderakzeptanz die zentrale Rolle, da sie schon mehrfach erlebt haben, dass Tools nicht genutzt wurden und die Investitionen daher verschwendet waren.
Mit anderen Worten: Wenn unser Input fehlerhaft ist (=unsere Annahmen), wird auch das Ergebnis fehlerhaft sein (=Buyer Persona, Customer Journey etc.). Alles, was wir aus dem Ergebnis folgern, steht dann auf sehr wackeligem Fundament und wird sicher nicht das bringen, was wir uns wünschen.
Wir müssen also dafür sorgen, dass unser Input nicht mit Fehlern behaftet ist. Der beste Weg ist daher, an bestehende Idealkunden heranzutreten, die in den vergangenen Monaten eine Entscheidung für oder gegen unser Angebot getroffen haben und diese zu fragen.
Typische Anzeichen von Confirmation Bias in B2B-Unternehmen:
- Man hört nur auf gute, bestehende Kunden und ignoriert potenzielle Neukunden mit anderen Bedürfnissen. Alle Aktivitäten werden über diesen einen Stammkunden begründet, obwohl der sich vor mehreren Jahren für den Anbieter entschieden hat, beide Parteien inzwischen aneinander gewachsen sind und die Situation heute eine vollkommen andere ist.
- Ähnliches gibt es mit Wettbewerbern. Das, was man bei diesem wichtigsten Konkurrenten sieht (bzw. annimmt), überschattet jede neue Initiative. Der Bestätigungsfehler liegt also in der Orientierung an den falschen Vorstellungen über den Wettbewerb, da man diesem eine höhere Kompetenz im Wissen über die Kunden zugesteht.
- Die Marketingkommunikation wiederholt Marktfloskeln, statt echte Differenzierung zu schaffen. Vor allem aber richtet sie sich nicht nach den Bedürfnissen der Kundengruppen, sondern nach internen Bildern, die meist auf der Features- und Functions-Ebene liegen.
2. Wie der Confirmation Bias Buyer Personas und Customer Journeys verzerrt
Der Confirmation Bias wirkt auf mehreren Ebenen in Unternehmen – besonders in der Erstellung von Buyer Personas, der Gestaltung der Customer Journey und der strategischen Marketing- und Vertriebsplanung.
2.1. Buyer Personas: Warum interne Annahmen oft falsch sind
Viele Unternehmen entwickeln ihre Buyer Personas auf Basis interner Workshops, in denen die Marketing- und Vertriebsteams zusammentragen, was sie über Kunden „wissen“. Dabei entstehen oft Schubladen-Kunden oder Schablonen-Entscheider:innen, die nur scheinbar passend sind.
Natürlich haben die Mitarbeiter:innen Erfahrungen mit realen Kunden. Aber diese veralten heutzutage sehr schnell. Entscheider:innen verhalten sich anders als vor wenigen Jahren. Sie recherchieren vor allem online und damit anders. Sie haben inzwischen andere Präferenzen und andere Herausforderungen. Kennen Sie das aus der Kundenperspektive? Inzwischen würden Sie manche Entscheidungen sicher anders treffen, da sich die Variablen oder Ihre Einsichten in Probleme geändert haben.
Gefahr des unvollständigen Inputs: Solche Buyer Personas spiegeln nur die Perspektive des Anbieters wider, nicht die tatsächlichen Kaufmotivationen der Kunden.
Lösung:
- Offene bzw. narrative Interviews mit Kunden führen. In diesen erzählen sie die „Story“ ihres Entscheidungsprozesses von Anfang bis Ende.
- Methodische Analyse: Wir brauchen qualitative Analyseansätze, mit denen wir die Subjektivität reduzieren und wissenschaftsähnlich arbeiten. Im Analyseprozess müssen wir Fakten annehmen, d. h. den Input nicht sofort einordnen.
- Strukturierung: Aufgrund des kontrollierten Vorgehens eines qualitativen Analyseansatzes erkennen wir, welche Probleme und „Jobs to Be Done“ die Kunden wirklich haben. Dementsprechend können wir sie in Kundengruppen einteilen, d. h. Unternehmen, die ein ähnliches Ziel mit der Investition in unser Produkt oder unsere Dienstleistung verfolgen.
Gefahr der voreingenommenen Analyse: Manche Unternehmen versuchen, die interne Sicht abzumildern, indem sie ihre Buyer Personas anhand von Kundeninterviews nachträglich validieren wollen. Hier tritt der Bestätigungsfehler mit voller Macht zu Tage. Auch für den Analytiker ist es quasi unmöglich, sich von den Vorüberlegungen zu trennen und zu anderen Ergebnissen zu kommen. In der Regel findet man in den Interviews genau die Stellen, die die eigene Sicht bestätigen (daher Bestätigungsfehler), und nicht diejenigen, die der internen Sicht widersprechen. Das wahre Potenzial liegt aber in den Insights, die zu neuen Überlegungen und Ideen führen.
2.2. Customer Journey Mapping: Verzerrte Annahmen verhindern
Der nächste Schritt nach dem Verstehen der Entscheider:innen bzw. dem Aufsetzen von Buyer-Persona-Profilen ist häufig die Definition von deren Beschaffungsprozessen. Viele Unternehmen kartieren die Customer Journey aus interner Sicht („So sollte der Kunde idealerweise entscheiden“), statt aus realen Kaufprozessen heraus. Dabei werden Stärken bzw. Angebote (z. B. der eigene, teure Produktkonfigurator) überbewertet, obgleich diese für die Entscheider:innen wenig relevant sind.
Gefahr: Wichtige Entscheidungsfaktoren werden übersehen, weil sie nicht in das gewünschte Muster passen. Zugleich ist die Verengung auf eine Customer Journey in der Regel kontraproduktiv. Eine Customer Journey kann nicht alle Kunden repräsentieren, sondern muss sich je Kundengruppe unterscheiden.
Lösung:
- Kundeninterviews nutzen, um die tatsächlichen Kaufprozesse zu erfassen, und anschließend mit einem qualitativen Ansatz analysieren.
- Mehrere Customer Journeys entwickeln, statt alle Erkenntnisse in eine zu packen. Der Effekt einer Verallgemeinerung ist, dass die Ansprache sehr allgemein und wenig ansprechend für die jeweilige Kundengruppe wird. Manche Kunden brauchen im Entscheidungsprozess mehr Informationen als andere, manche früher, technischer oder detaillierter, je nach deren Beschaffungs- bzw. Projektzielen.
- Customer Journeys sind – genau wie Buyer Personas – keine absolute Wahrheit, die über Jahre unverändert bleiben darf. Sie müssen sich diese immer wieder vornehmen und anhand neuer Kundeninterviews weiterentwickeln. Dieser Aufgabenbereich wird als Customer Journey Management bezeichnet.
Hinweis: Buyer-Persona-Profile sind nicht dafür angelegt, Customer Journeys darzustellen. Dazu braucht es andere Ansätze, sprich Buyer Personas nach Adele Revella und Jim Kraus oder Customer-led Growth, was wiederum auf der Jobs-to-be-Done-Theorie des Harvard-Professors Clayton Christensen basiert (letzterer ist auch bekannt für das Thema „Disruptive Innovationen“).
3. Confirmation Bias im B2B überwinden – echte Kundenzentrierung etablieren
Um den Confirmation Bias zu vermeiden, müssen Unternehmen systematisch echte Kundenperspektiven einholen und ihre internen Denkstrukturen, soweit möglich, reduzieren.
3.1. Bias-Checklisten für Buyer Personas und Strategiemeetings
Jede strategische Entscheidung sollte durch einen kurzen „Bias-Check“ gehen:
- Basieren unsere Buyer Personas oder Customer Journeys – auf denen unsere Marketing- und Vertriebsstrategien basieren sollen – auf echten Kundeninterviews, auf echten Insights oder auf internen Annahmen?
- Was haben wir getan, um Fehlinterpretationen systematisch zu vermeiden bzw. deren Einfluss zu reduzieren?
- Nutzen wir Daten aus mehreren Quellen oder verlassen wir uns auf Einzelmeinungen? Haben wir nur interne Ansichten oder fließen externe Sichtweisen ein?
3.2. Customer-led Growth: Kunden als Strategiekompass nutzen
- Interviews mit echten Kunden sind oberste Priorität, statt interne Workshops als Basis zu nehmen.
- Die Entscheidungslogik der Kunden systematisch und für jede/n nachvollziehbar verstehen, statt sich auf Annahmen (Einzelner) zu verlassen.
- Kundenzentrierte Content-Marketing-Strategien entwickeln, die echte Probleme ansprechen und die Kunden bei ihrer Entscheidungsvorbereitung unterstützen.
3.3. Marketingkommunikation entflechten – Schluss mit Floskeln
- Narrative-Strategie aufbauen, die sich radikal an Kunden und deren Entscheidungsprozessen ausrichtet. Idealerweise geschieht dies in einem Learning Center, in dem die Entscheider:innen alle Informationen finden, um ihre Customer Journey zu bewältigen (Stichwort: Buyer Enablement).
- Customer Storytelling nutzen, um sich aus der Flut der üblichen Marketingsprüche abzuheben. Kunden müssen erleben, dass Sie sich unterscheiden. Die Unterschiede in den Produkten bzw. Angeboten sind von außen betrachtet und ohne Anwendungserfahrung häufig gering. Daher müssen sie die Unterschiede in der Kommunikation maximal groß machen, damit die Kundengruppen diese wahrnehmen und sich in ihrem Entscheidungsverhalten danach richten können.
Fazit: Kritisches Denken bringt Wettbewerbsvorteile
Viele B2B-Unternehmen kommunizieren ähnlich und basieren ihre Strategie auf Annahmen, die alle Marktteilnehmer teilen. Das führt zu keiner echten Differenzierung. Wer sich wirklich abheben will, muss den Confirmation Bias eliminieren und radikal kundenzentriert arbeiten. Customer Centricity erreichen Sie nicht aufgrund interner Annahmen. Die einzige Ausnahme ist: Sie haben noch keine Kunden für Ihr Angebot. Dann sollten sie dennoch Ihren ersten Kunden so gut wie irgendmöglich zuhören und jede ihrer Entscheidungen aufgrund dieses Inputs überprüfen (ohne einzelne Kunden überzubewerten). Wenn Sie aber Kunden haben, dann ist es sträflich, diese nicht systematisch nach deren Erfahrungen mit Ihnen und in ihrer Customer Journey zu fragen.
Lernfazit: Buyer Personas und Customer Journeys sollten Sie nicht intern entwickeln, sondern direkt aus Kundeninterviews und echten Kaufentscheidungen ableiten.