Im Marketing gibt es wohl kaum ein Wort, das so allgegenwärtig ist wie die „Kampagne“. Gleichzeitig fällt mir kaum ein Begriff ein, der derart häufig falsch verwendet wird. Selbst erfahrenere Marketing-Teams sprechen bei fast allen Aktionen, die sie initiieren, von Kampagnen. Das „Programm“, das im Marketing-Kontext eigentlich einen festen Platz haben sollte, wird dagegen allzu oft sträflich vernachlässigt.
Aus meiner Sicht deutet dieser Sprachgebrauch auf ein bestimmtes Mindset hin, das in manchen Marketing-Teams noch immer dominant ist. Was ich damit meine, möchte ich in diesem Beitrag etwas genauer erläutern.
Was ist eigentlich eine Kampagne…
Werfen wir zunächst einen Blick darauf, was genau eigentlich eine Kampagne ist. Ursprünglich stammt der Begriff wie viele andere auch aus dem Militärjargon. Militärische Strategen bezeichnen damit schon seit Jahrhunderten nichts anderes als einen Feldzug: Eine zeitlich befristete Aktion, deren Ende klar absehbar ist.
An dieser Wortbedeutung hat sich im Prinzip bis heute nichts verändert. Seit der Begriff im 19. Jahrhundert seinen Weg in die Sprache der Kaufmänner fand, reden wir im wirtschaftlichen Kontext von Kampagnen, wenn wir mithilfe zeitlich begrenzter Initiativen ein gewünschtes Ziel erreichen möchten.
Auch im Marketing fokussieren sich Kampagnen immer auf ein bestimmtes Event oder Angebot. Man könnte auch sagen: Kampagnen konzentrieren sich auf ein bestimmtes Business-Ziel (z. B. mehr Reichweite).
Nehmen wir zum Beispiel an, Ihr Unternehmen bringt ein neues Produkt auf den Markt. Um es zu bewerben, sind Kampagnen erfahrungsgemäß besonders gut geeignet. Sie könnten beispielsweise eine Reihe von E-Mails an Ihre Leads und Kundenkontakte verschicken und zusätzlich Content produzieren, mit dem Sie auf die Vorteile des Produktes eingehen. Ergänzend schalten Sie Anzeigen und verbreiten Social-Media-Posts oder kümmern sich um die Optimierung Ihrer Inhalte für die Suchmaschinen, um den Bekanntheitsgrad Ihres Produktes für Ihre Zielgruppe noch weiter zu vergrößern.
Schon an diesem kleinen Beispiel werden die typischen Kennzeichen von Marketing-Kampagnen deutlich:
- Marketing-Kampagnen liefern eindeutige Ergebnisse. Ob Sie Ihr Ziel erreicht haben, können Sie mithilfe verschiedener Analyse-Tools recht präzise messen.
- Marketing-Kampagnen besitzen eine klare Struktur. Sie entwerfen eine Reihe von Maßnahmen, mit denen Sie Ihre Ziele erreichen möchten. Diese Reihe ist in aller Regel überschaubar.
- Marketing-Kampagnen setzen auf Inbound- und Outbound-Maßnahmen. In unserem Beispiel erwähnte ich z. B. Content-Angebote, die Interessierte auf die Seite eines Unternehmens ziehen sollen, aber auch Anzeigen, mit denen das Unternehmen selbst aktiv auf Kunden zugeht.
- Marketing-Kampagnen sind zeitlich begrenzt. Schließlich werden Sie ein neues Produkt oder ein spezielles Event nicht ewig als solches bewerben.
…und was ist ein Programm?
Das Wort „Programm“ stammt aus dem griechischen (prógramma) und bezeichnete ursprünglich schriftlich festgehaltene Vorschriften, an die sich die Bürger des alten Griechenlands zu halten hatten. Darin kam also schon damals ein sehr langfristiger Anspruch zum Ausdruck. Denn die meisten vorgeschriebenen Regeln besaßen über einen längeren Zeitraum Gültigkeit.
Obwohl wir heute Verschiedenes meinen können, wenn wir von Programmen sprechen, erkennen wir im Marketing-Kontext zumindest einen Teil der urtümlichen Wortbedeutung wieder. Denn auch hier handelt es sich bei Programmen um etwas Langfristiges – ganz im Gegensatz also zur Kampagne.
Im Marketing sprechen wir von Programmen, wenn wir verschiedene Maßnahmen ergreifen, um ein langfristiges Ziel zu erreichen. Dieses Ziel ist in der Regel weit weniger spezifisch als im Falle von Kampagnen.
Auch hierzu ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie möchten die Bekanntheit Ihrer Marke vergrößern. Dazu initiieren Sie sehr viele verschiedene Aktionen, die gemeinsam früher oder später zum gewünschten Erfolg führen sollen. Das kann z. B. Content mit Mehrwert sein, den Sie regelmäßig produzieren, um potenzielle Kunden über all Ihre Produkte oder Dienstleistungen zu informieren. Denkbar ist auch, dass Sie Ihre Aktivitäten im Social-Media-Bereich intensivieren oder Events veranstalten, um den Dialog mit Ihren Kunden/Interessenten zu suchen. Die Hauptsache ist, dass Sie es Ihrer Zielgruppe regelmäßig ermöglichen, sich über Ihr Unternehmen und dessen Angebot zu informieren.
Auch anhand dieses kleinen Beispiels lassen sich die Kennzeichen von Marketing-Programmen leicht erkennen:
- Marketing-Programme sind schwerer auszuwerten. Aufgrund der Vielzahl an einzelnen Maßnahmen und der Tatsache, dass deren Ziel weniger klar definiert ist, sind Erfolgsanalysen im Falle von Programmen wesentlich komplexer.
- Marketing-Programme sind weniger zusammenhängend: Im Rahmen Ihres Programms setzen Sie auf sehr viele verschiedene Aktionen, die oft nur lose miteinander verbunden sind.
- Marketing-Programme setzen verstärkt auf Inbound-Maßnahmen: Der intensive Einsatz von Content-Marketing ist typisch für langfristig angelegte Programme. Outbound-Aktivitäten kommen zwar ebenfalls zum Tragen – dies aber weniger häufig, als im Falle von Kampagnen.
- Marketing-Programme haben kein festes Ende: Fast alle Aktivitäten, die wir während unserer Programme umsetzen, sorgen nur selten für schnelle Erfolge.
Inwiefern deutet die Unterscheidung auf das Mindset von Marketing-Teams hin?
Zugegeben: In der Praxis ist die Trennung, die wir hier vornehmen, etwas weniger strikt. So ist es durchaus denkbar, während eines langfristig angelegten Programms auf eine oder mehrere Kampagnen zu setzen, um kurzfristige Erfolge zu erzielen. Umgekehrt sind nicht alle Maßnahmen, die wir während einer Kampagne treffen, ausschließlich für den schnellen Erfolg konzipiert. Ein Whitepaper, in dem Sie Ihren potentiellen Kunden/Interessenten die Vorzüge eines neuen Produktes vorstellen, kann z. B. erst in einigen Jahren für eine Conversion sorgen.
Unabhängig davon deutet die mangelnde Unterscheidung zwischen Kampagnen und Programmen, wie sie im Marketing häufig zu beobachten ist, auf eine bestimmte Denkweise hin. In vielen Fällen legen Marketing-Spezialisten zu großen Wert auf schnelle, einfach messbare Ziele. Das ist in gewisser Hinsicht nachvollziehbar: Schließlich müssen manche Entscheider sich auf diese Weise vor ihren Vorgesetzten rechtfertigen.
Inbound Marketing mit chain relations
Trotzdem: Sonderlich förderlich ist diese Haltung nicht. Gerade im Inbound Marketing ist es beispielsweise so, dass sich Erfolge erst einige Monate, manchmal sogar erst Jahre nach den ersten Schritten im Programm einstellen. Der damit verbundene Prozess erfordert selbstredend etwas Geduld. Wer nach drei Monaten noch keine Leads gewonnen hat und nervös wird, sollte jedoch auf gar keinen Fall den Kopf in den Sand stecken. Denn langfristig gesehen ist es mehr als wahrscheinlich, dass die Methode zu dem Erfolg führt, den sich alle Beteiligten von Anfang an gewünscht haben.