Service-Level-Agreements (SLA) gehören mit Sicherheit nicht gerade zu den spannendsten Lektüren. Vermutlich liegt es an ihrem rechtlichen Charakter. Schließlich soll festgelegt werden, welche Pflichten ein Anbieter gegenüber einem Kunden hat. Daher wimmelt es hier von konkreten Ausfall- und Reaktionszeiten sowie Feature- und Komponenten-Übersichten.
Professor Walter Brenner (Universität St. Gallen, Institut für Wirtschaftsinformatik) hat gemeinsam mit einigen Mitarbeitern im Beitrag „Design Rules for User-Orientied IT Service Descriptions“ elf Regeln festgelegt, die man bei der Formulierung von Service-Level-Agreements beachten sollte. Ich kann übrigens nicht sagen, warum ich immer wieder auf Forschungsergebnisse aus St. Gallen hinweise, außer dass sie immer wieder sehr gut sind. So wie dieser Beitrag.
Service-Dominant-Logic als Leitgedanke
Die Herleitung der Formulierungsgrundsätze erfolgt über die Service-Dominant-Logic von Vargo/Lusch sowie die Forderung nach Vollständigkeit (End-to-End-View) eines IT-Service. An dieser Stelle wird es wieder schwierig: Wie beschrieben kennt die Service-Dominant-Logic keinen Plural von Service. Gemeint ist damit also die Leistung eines Unternehmens.
Die genaue Herleitung über die Grundsätze der Service-Dominant-Logic ist spannend, aber ich verweise hier mal auf die Ausführungen der Autoren. Dementsprechend steige ich erst im Abschnitt 6. ein. Die formulierten Design-Grundsätze gelten meines Erachtens nicht nur für Service-Level-Agreements, sondern für alle rechtlich relevanten Dokumente.
Auch wenn ich diese Regeln bisher nicht als Übersicht zur Verfügung hatte, folgten meine Angebote mehr oder minder genau diesen Regeln. Ich werde zur besseren Verständnis neben den IT-Service-Beispielen aus dem Paper von Brenner et. al. auch immer wieder auf die Erstellung von Angeboten am Beispiel meiner PR-/Marketing-/Vertriebspraxis eingehen.
Regel 1: Outcome defines content.
Das wichtigste Prinzip besagt, dass man sich bei der Formulierung auf den Output, also den Nutzen, und nicht auf den Input konzentrieren sollte. Nicht die Anzahl an Servern, die Softwareversion oder die Netzwerktechnologien sollten also im Vordergrund stehen, sondern was es dem Kunden bringt/bringen soll. Dieser Wert ergibt sich aus der gemeinsamen Erstellung (co-creation), die die Service-Dominant-Logic als zwangsläufig ansieht.
Regel 2: Outcome defines the structure.
Die Nutzenstrukturen sollten sich im Dokument abbilden, d. h. beispielsweise die Kapitel heißen nicht „ERP-Software“, „Hosting“ und „Internet-Anbindung“ sondern „Buchführung“, „Controlling“ und „Jahresabschluss“. Traditionell folgen meine Angebote dem Schema „PR, „Marketing“, „Vertrieb“. Inzwischen sortiere auch um nach Inbound- und Outbound-Marketing. Beim Inbound-Marketing gibt es die Unterpunkte Neukundengewinnung, Kundenbindung und Kundenservice. Darunter subsummieren sich dann bestimmte Leistungen.
Regel 3: Quality parameters are defined end-to-end.
Nicht die einzelnen Schritte eines IT-Service sind von Interesse, sondern erst dann, wenn sie für den Kunden relevant werden. Die Autoren führen als Beispiel auf, dass innerhalb eines Einführungsprozesses nicht jeder einzelne Schritt interessiert, sondern erst dann, wenn der Anwender das Ergebnis nutzen kann.
Regel 4: Changes to the service potential are services themselves.
Bestimmte Leistungen müssen beim Start oder Stopp eines Dienstleistungsverhältnisses durchgeführt werden, um auf einer ordentlichen Basis zu arbeiten bzw. diese zu übergeben. Die Autoren erinnern daran, dass diese Leistungen ebenso wie die zentralen Leistungen beschrieben werden müssen. Wie der Abbau eines bisherigen IT-Systems ist es bei der Übernahme beispielsweise der Öffentlichkeitsarbeit nötig, alle bisherigen Aktivitäten zu erfassen, Verteiler zu evaluieren und zu übernehmen, Clipping-Dokumentationen sind durchzuschauen etc. Diese Leistungen sieht der Kunde nicht bzw. er bekommt praktisch nichts oder nur wenig davon mit.
Regel 5: The description is binding and declared in a user/process oriented language.
Alle Leistungen müssen so beschrieben werden, dass der Kunde sie versteht und sie in einem eventuellen Geschäftsprozess einordnen kann. Für meine Angebote bedeutet das, dass am Anfang jedes Leistungsbereichs beschrieben wird, was man unter einer Leistung verstehen kann und was nicht. Zudem wird der Nutzen klar gestellt. Falls die Leistung in einem Prozess (z. B. Neukundengewinnung) eingeordnet werden kann (z. B. Informationsphase, Kontakt aufbauen), geschieht dies ebenfalls.
Regel 6: Cooperation is a defined process.
Dieser Punkt fiel mir in Angeboten früher schwer: Dem Kunden zu sagen, was er zu leisten hat. Dies ist jedoch unabdingbar, da ein Service immer vom Kunden abhängt (Stichwort co-creation). Kein Dienstleistungsunternehmen kann eine wertvolle Leistung erbringen ohne den Input des Kunden.
Regel 7: Information Requirements are defined.
Alle notwendigen Informationen müssen vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden und daher in den Service-Level-Agreements/im Angebot aufgeführt werden. Wichtig sind dabei auch die Erwartungen und die Hidden Agenda. Zum Stil einer meiner Kunden gehört es beispielsweise niemals schlecht über ein Wettbewerbsprodukt zu reden bzw. immer die Vorzüge des eigenen Angebots herauszustellen und weniger über die Nachteile des Konkurrenzprodukts. Diese Erwartungen müssen dem Leistungserbringer gegenüber klar gestellt werden, schließlich soll dieser im Auftrag so agieren, wie es der Auftraggeber selbst tun würde.
Regel 8: Dependencies are explicit.
Die Abhängigkeiten und die Reihenfolge zwischen einzelnen Services müssen festgehalten werden. Input-orientiert muss beispielsweise kein PC existieren, wenn jemand eine Software ordert. Nutzenorientiert gesprochen braucht eine PR-Maßnahme einen vorherigen strategischen Plans, da sonst die Qualität der Ergebnisse sinkt.
Regel 9: Structure goes from general to detail.
Es ist für den Kunden am leichtesten, vom Allgemeinen zum Konkreten zu lesen. Technische Dokumente beginnen hingegen oft mit der Aufzählung von Details, bevor die zusammenhängende Klammer deutlich wird. Der Wert eines Service wird klarer, wenn man mit dem Allgemeinen anfängt. Zudem ermöglicht es dem potentiellen Kunden, ein Dokument nur zu überfliegen, da er zumindest auf Management-Ebene sich kaum für die Details interessieren wird.
Regel 10: Each service element is well defined.
Jeder einzelne Service-Bestandteil bzw. jede Position eines Angebots muss definiert werden. Ansonsten kann es im Nachhinein zu Missverständnissen kommen.
Regel 11: Modularity is crucial.
Jeder Service und jede zentrale Information muss für sich abgeschlossen beschrieben werden. Dies ermögicht zudem, verschiedene Versionen je nach Verantwortungsbereich des Lesers zu erstellen. Möglicherweise soll er bestimmte Bestandteile gar nicht sehen. Ich erreiche diese Modularität, indem Angebote in Wahrheit Serienbriefe sind. Dahinter liegt eine Informations- und Preistabelle, in der ich die zentralen Bestandteile des Angebots verwalte. Die Änderung eines Details in der Preistabelle kann dann zu mehreren Änderungen im Dokument führen, so dass ich nicht mehr überprüfen muss, ob ich auch nichts vergessen habe.
Schlussfolgerungen für’s B2B-Inbound-Marketing
Diese Regeln sind für das Inbound Marketing eines Unternehmens wichtig. Jedes Unternehmen muss sich fragen, wie es mit seinen (potentiellen) Kunden kommunizieren, wenn diese den Kontakt aufnehmen. Gemäß der Service-Dominant-Logic sollte man sich nicht als der Produkt- oder Dienstleistungsanbieter sehen und der Kunde hat sich seine Angebote rauszusuchen und zu verstehen. Statt dessen muss man stets bemüht sein, die fragile Beziehung mit dem Interessenten zu stärken und es ihm in seinem Entscheidungsprozess so leicht wie möglich zu machen.
Einziger Wermutstropfen und zugleich auch ein immenser Vorteil: Auf der einen Seite werden Angebote dadurch nicht unbedingt leichter vergleichbar, da die meisten Wettbewerber ihre Dienstleistungen ganz klassisch und ohne Vorteilsbezug aufzählen (Ja, auch ich habe solche Angebote schon abgegeben, zu viele). Auf der anderen Seite hat man die Chance heraus zu stechen und den potentiellen Kunden zu überzeugen.
Denn egal ob Service-Level-Agreement oder Angebot – der Kunde erfährt daraus, wie der Anbieter sein Verhältnis zum Kunden begreift und was er von der späteren Arbeit zu erwarten hat.