Die Berücksichtigung von Kundenbedürfnissen gewinnt in B2B-Marketing, Vertrieb und Produktentwicklung zunehmend an Bedeutung. Ziel ist den Anforderungen der Zielgruppe sehr gut zu verstehen und Kunden entsprechend gezielt anzusprechen. Der ideale Ansatz in diesem Zusammenhang ist das Konzept des Jobs-to-be-Done (JTBD) von Harvard-Professor Clayton M. Christensen. Mit diesem Ansatz lässt sich die Customer Experience für Produkte oder Services nachhaltig und bewusst steigern.
Unterschiedliche Perspektiven auf Kundenbedürfnisse
Viele Unternehmen sagen, dass sie die Bedürfnisse ihrer Kunden kennen und erfüllen. Eine Studie der US-amerikanischen Unternehmensberatung Bain & Company zeigt jedoch, dass es oft Unterschiede zwischen der Eigen- und Fremdsicht gibt. 80 Prozent der Unternehmen sagen, dass sie hervorragende Leistungen erbringen. Aber nur 8 Prozent der Kunden sind voll zufrieden.
80 Prozent vs. 8 Prozent!
Die befragten Unternehmen schätzten ihre Leistung also fundamental besser ein als ihre Kunden.
Woher kommt diese Abweichung?
Diese gravierende Diskrepanz lässt sich durch unterschiedliche Kriterien der Bewertung erklären.
Dafür kann es nur eine Erklärung geben: Beide Seiten haben recht. Sie beurteilen die Situation lediglich nach unterschiedlichen Kriterien.
- Für Anbieter liegt der Fokus oft auf der Erfüllung von Anforderungen und der Vermeidung von negativem Feedback. Sie denken sehr funktional. Ihre Lösung beseitigt ein Problem (Pain) oder ermöglicht etwas neues (Gain).
- Kunden wollen hingegen ein Ziel erreichen oder ein Problem lösen. Dafür brauchen sie Ihre Lösung. Das Produkt oder die Dienstleistung ist für sie nur ein Mittel zum Zweck.
Anbieter sind mit der Zusammenarbeit zufrieden, wenn sie die Erwartungen der Kunden erfüllen, keine negativen Rückmeldungen erhalten und das Unternehmen erfolgreich ist. Sie erfüllen die Vorgaben der Kunden und sorgen dafür, dass die Kunden zufrieden sind. Wenn es wenig Retouren gibt, ist das Projekt für sie ein Erfolg.
Aus Kundenperspektive sieht die Zusammenarbeit völlig anders aus. Ein Kunde oder eine Kundin hat kein inhärentes Interesse an den Produkten oder Dienstleistungen des Anbieters. Im Prinzip ist ihnen sogar egal, ob der Anbieter die Projektanforderungen erfüllt. In Wahrheit wollen Kunden eine Aufgabe erledigen, wenn sie sich an einen Anbieter wenden. Dessen Leistung ist letzlich nur Mittel zum Zweck.
Kundenerwartungen ermitteln
Vermutlich kennen Sie das bekannte Zitat von Theodore Levitt:
„People don’t want to buy a quarter-inch drill. They want a quarter-inch hole!“
Diese Aussage ist korrekt, aber sie geht noch nicht weit genug. Eigentlich wollen Menschen weder einen Bohrer noch ein Loch in der Wand. Was Kunden wirklich wollen, ist ein Bild aufhängen und dafür benötigen sie eine Befestigung. Der Gedanke verdeutlicht, dass Kunden Produkte nicht um ihrer selbst willen kaufen, sondern um eine bestimmte Aufgabe zu lösen oder ein Kundenbedürfnis zu befriedigen.
Laut Christensen kaufen Kunden Produkte, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen oder ein Bedürfnis zu befriedigen. Solche realen Motivationen zu erkennen, kann jedoch schwierig sein, denn oft beinhalten sie mehrere Ziele. Hier unterscheidet JTBD zwischen direkten und indirekten Zielen.
- Direkte Ziele sind offensichtlich, funktional und unmittelbar mit der Aufgabe verbunden.
- Indirekte Ziele sind dagegen schwer greifbar und kommen erst in Tiefeninterviews ans Tageslicht. Sie sind oft emotionaler oder sozialer Natur und nicht einmal den Entscheidern selbst bewusst.
Beispielsweise wollen Abteilungsleiter mit einer neuen Business-Software zum einen ihr Team von einem zeitraubenden Prozess entlasten. Das wäre ihr direktes Ziel.
Manager wollen nicht nur erfolgreich sein, sondern auch gut dastehen. Sie wollen zeigen, dass sie innovativ und durchsetzungsstark sind. Das hilft ihnen, ihren Job zu behalten, aufzusteigen und angesehen zu sein.
Solche emotionalen und sozialen Aspekte sind jedoch in einer oberflächlichen Kundenbefragung kaum zu erfassen. Im B2B-Marketing fallen sie häufig unter den Tisch, zumal sie nicht unbedingt so allgemein sind, wie es in typischen Buyer Personas geschrieben wird (z. B. Controller will Geld sparen). Vielmehr sind diese direkten und indirekten Kundenbedürfnisse vom konkreten Beschaffungsprojekt abhängig.
Jobs-to-be-Done ist ein Konzept, das nicht einfach zu verstehen und zu verwenden ist, obwohl es erstmal sehr einfach daher kommt. Ein Grund dafür ist, dass der JTBD-Framework aus zwei Perspektiven vorangetrieben wird: Zum einen ist das Produktentwicklung, so dass z. B. in der User Experience (UX) eine große Diskussion entstanden ist. Daneben entwickelt sich der Ansatz in Marketing und Vertrieb weiter. So entsteht der Eindruck, dass es bei Jobs um einen persönlichen Faktor geht (wie bei Buyer-Persona-Templates), statt dass der Job an der Investition in ein Produkt oder die Beauftragung einer Dienstleistung hängt.
Die Aufgaben der Kunden erkennen
Für Anbieter sind solche verborgenen Aufgaben eine große Herausforderung. Sie können keine passenden Lösungen für Probleme entwickeln, die sie nicht kennen. Darunter leiden:
- die Produktentwicklung, da sie von Anfang nicht an den Jobs der Kunden ausgerichtet ist, sondern meist an dem, was sich die Anbieter für ihre Kunden denken, und
- die Kundenkommunikation, denn sie stellt zwangsläufig nicht das für die Kunden Wesentliche in den Fokus.
Gleichzeitig leiden die Kunden unter dieser Situation, denn kein Anbieter ist in der Lage, Produkte für ihre wahren Bedürfnisse anzubieten und diese zu erfüllen. Oft suchen sie daher vergeblich nach Lösungen.
Das ist das Dilemma. Die meisten Unternehmen arbeiten auf ein Ziel hin, das ihnen nicht hinreichend bekannt ist. Und am Ende ist niemand zufrieden.
Beide Seiten finden nur zueinander, wenn sie miteinander sprechen und Anbieter ihre Aktivitäten konsequent auf die Aufgaben ihrer Zielkunden ausrichten. Das ist die Kernaussage einer Methode namens Jobs-to-be-Done, die Clayton Christensen, Professor an der Harvard Business School, in den 1990er Jahren entwickelt hat. Anschließend wurde sie von Beratern wie Bob Moesta und Anthony W. Ulwick in die Praxis eingeführt.
Analyse der Kundenbedürfnisse mit Jobs-to-be-Done?
Jobs-to-be-Done ist ein strategischer Ansatz, der seinen Fokus nicht auf Kunden oder Produkte legt, sondern auf die Erfüllung einer Aufgabe. Im Zentrum der Methode steht die Frage, warum Kunden ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung kaufen und was sie damit erreichen wollen (ihr „Job-to-be-Done“). Dieses Wissen wird anhand von offen geführten Kundeninterviews und Umfragen ermittelt.
Jobs-to-be-Done sollten Sie keineswegs mit der üblichen Definition eines Jobs, also einer Arbeitsaufgabe, verwechseln. Diese sind vielmehr als dynamische Prozesse zu verstehen, die ein konkretes Endergebnis herbeiführen sollen.
Dieses Endergebnis kann jedoch viele Formen annehmen, von der Erfüllung einer extrinsischen Aufgabe (z. B. eine Arbeitsanweisung im Beruf) über die Befriedigung eines intrinsischen Bedürfnisses (z. B. Hunger stillen oder Prestige und Anerkennung) bis hin zu abstrakten Konzepten (z. B. Unterhaltung).
Der Begriff „Endergebnis“ ist für das Verständnis der Methode besonders relevant, denn ein Job to be Done kann niemals eine Teilaufgabe sein. Per Definition ist der Job erst dann erledigt, wenn das grundlende Ziel erreicht und die Intention des Kunden erfüllt wurde. Alles davor ist nur Teil des Lösungswegs. Hier zu stoppen hätte für den Kunden kaum Mehrwert.
Um bei dem Bohrerbeispiel zu bleiben: Der Kunde ist erst zufrieden, wenn das Bild an der Wand hängt. Das Loch allein hat für ihn keinerlei Wert.
Wichtig ist auch, Jobs-to-be-Done stets lösungsneutral zu betrachten. Der Kunde tut es nämlich auch. Für ihn spielt es keine Rolle, auf welche Weise sein Problem gelöst wird, solange das Ergebnis stimmt. Das Angebot des Anbieters ist für ihn nur ein Weg unter vielen, um sein Ziel zu erreichen.
Wettbewerb um die Jobs
So manches Unternehmen musste bereits feststellen, dass es im Wettbewerb um die Gunst seiner Zielkunden nicht nur gegen seine direkten Konkurrenten antritt, sondern auch gegen alternative Lösungswege oder Workarounds, die es nie auf dem Schirm hatte. Beispielsweise konkurrieren Taxiunternehmen nicht nur mit Uber, sondern auch mit dem öffentlichen Nahverkehr, Fahrradverleihern oder sogar Software-Anbietern für Video-Telefonie. Ein typisches Beispiel im Business-to-Business-Bereich ist die Alternative, eine Aufgabe an einen Dienstleister auszulagern oder selbst zu erledigen.
Warum sind diese Definitionen wichtig? Weil sie den Perspektivwechsel verdeutlichen, der dem Jobs-to-be-Done-Framework zugrunde liegt. Organisationen, die nach dieser Methode arbeiten, stellen den Job to be Done ihrer Kunden in den Fokus all ihrer strategischen Pläne und Marketingmaßnahmen. Sie denken stets darüber nach, wie sie ihrer Zielgruppe dabei helfen können, deren Ziele zu erreichen, und richten alle ihre Maßnahmen danach aus, die entsprechenden Bedürfnisse zu befriedigen.
Jobs-to-be-Done unterscheidet drei Käufertypen, die Marketing und Sales bei der Strategieentwicklung berücksichtigen sollten. Der Job Executor ist die Person (bzw. die Gruppe), die das Produkt/die Dienstleistung für den Core Functional Job einsetzt. Zum Product Lifecycle Support Team zählen die Menschen im Kundenunternehmen, die das Produkt während dessen Lebenszeit betreuen (z. B. IT, Mechaniker*innen). Der Buyer wiederum ist die Person, die am Ende die finanzielle Entscheidung treffen muss.
Wie unterscheidet sich JTBD von anderen Ansätzen?
Die Idee, mehr über Kunden zu erfahren, um besser auf sie eingehen zu können, ist nicht neu. Die meisten Unternehmen entwickeln mit der Zeit ein besseres Verständnis ihrer Zielkunden, sei es durch Befragungen – z. B. Kundenzufriedenheitsumfragen, Analyse-Tools oder schlichtweg Erfahrung.
Klassische Methoden sind jedoch in der Regel faktenbasiert. Sie untersuchen entweder statische Informationen über die Zielgruppe (Unternehmensgröße, Branche, Umsatz etc.) oder deren Verhalten (erteilte Aufträge, Anfragen, Gespräche etc.). An dieser Art der Kundenanalyse ist prinzipiell nichts auszusetzen. Je nach Kontext kann sie brauchbare Informationen liefern.
Allerdings lassen klassische Methoden tiefergehende Zusammenhänge außer Acht. Sie fragen, was der Kunde getan hat, aber nicht warum. Daher sind sie kaum dafür geeignet, wirksame Maßnahmen für die Steigerung der Kundenzufriedenheit oder der Neukunden zu entwickeln.
Kaufentscheidungen aus Anbietersicht
Klassische Marktforschung zielt genau wie Jobs-to-be-done darauf ab, Kundenwissen zu erlangen. Allerdings beschränkt sie sich entweder auf oberflächliche Daten, wie eine demografische Segmentierung (Alter, Geschlecht etc.), oder produktspezifische Informationen („Wie oft kaufen Sie Mineralwasser“ etc.). Beide Ansätze beschränken sich auf die Anbieterperspektive und sind daher nicht geeignet, tiefergehendes Kundenwissen zu generieren.
Kundenfeedback: Interviewbasierte Buyer Personas
Buyer Personas weisen dagegen große Gemeinsamkeiten mit dem Jobs-to-be-done-Framework auf – zumindest, wenn sie nach der Methode von Adele Revella erstellt werden. Auch sie zielen darauf ab, mit Hilfe von offenen oder narrativen Interviews die Kundenperspektive einzunehmen (und nicht mit Hilfe von Buyer-Persona-Templates).
Zentrale Übereinstimmung mit Jobs-to-be-Done ist zudem, dass beide auf einem strukturierten Prozess in der Datenerhebung und -auswertung basieren, also nicht auf Zufälligkeit oder individuelle Brillanz der Beteiligten setzen. Eine weitere Gemeinsamkeit ist der Verzicht auf quantitative oder oberflächliche Informationserhebungen. Sowohl Buyer Personas als auch JTBD fragen nach Prozessen, Zielen und Motivationen statt nach Einkommen oder Familienstatus.
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Worin besteht der Unterschied?
Der Unterschied zwischen beiden Ansätzen ist ihr Untersuchungsfokus:
- Buyer Personas untersuchen den Entscheidungsprozess. Mit ihrer Hilfe möchte man herausfinden, warum sich Kunden für ein bestimmtes Produkt entschieden haben und wie sie dabei vorgegangen sind. Jobs-to-be-done analysiert dagegen die tiefergehenden Motivationen. Der Ansatz dient dazu, herauszufinden, vor welchen Problemen Kunden stehen und wie man ihnen helfen kann.
- Jobs-to-be-done geht bei der Analyse der erhobenen Daten – Interviews oder Fragebogen – strukturierter vor. Das liegt an der starken Ausrichtung an den Jobs, die Personen mit einer Investition oder einer Beauftragung erledigen wollen. Dadurch zeigen sich klarere Zusammenhänge zwischen den Einflüssen auf einen Entscheidungsprozess.
Warum ist JTBD relevant für das Ermitteln von Kundenbedürfnissen?
Eine Schwäche vieler Marketing-Abteilungen ist die ausgeprägte Anwendersicht. Zu oft liest und hört man von den positiven Aspekten eines Produkts oder einer Dienstleistung, gepaart mit schwammigen, abstrakten Vorzügen wie „schnell“, „einfach“ oder „komfortabel“. Für potenzielle Kunden hat dieses Keyword-Bingo allerdings kaum einen Wert.
Das JTBD-Framework ermöglicht es Marketing-Profis, die realen Motivatoren ihrer Zielgruppe aufzudecken und diese Erkenntnisse in all ihre Aktivitäten einfließen zu lassen. Dies umfasst neben grundlegenden Analysen auch bestehende Maßnahmen, die in fast allen Marketing-Abteilungen Standard sind.
Marktsegmentierung
Der Job to be Done kann als ausschlaggebendes Kriterium für eine Marktsegmentierung dienen, die sich von demografischen, statistischen oder Verhaltensdaten abgrenzt. Anstelle von Alter, Geschlecht oder Karrierestufe einer Person dient deren primäre Aufgabe, ihr Job, als Identifikator, um sie mit ähnlichen Kontakten zu gruppieren.
Ein großer Vorteil dieser Segmentierungs-Methode ist ihre zeitliche Konsistenz. Jobs-to-be-Done tendieren dazu, langfristig stabil zu sein. Sie beschreiben grundlegende Bedürfnisse ihrer Zielgruppe, die sich kaum ändern. Menschen werden zum Beispiel immer versuchen, von A nach B zu gelangen. Das Transportmittel mag sich ändern, aber der JTBD dahinter nicht.
JTBD liefert neue Perspektiven auf Kundenerwartung
Oft zeigt sich, dass die Jobs-to-be-Done-Segmentierung deutlich von bestehenden Ansätzen abweicht. So werden firmografisch ähnliche Unternehmen häufig verschiedenen Segmenten zugeordnet, und Firmen, die auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten haben, zusammen gruppiert. Hieran zeigt sich, dass ein Job nicht zwangsläufig von Eigenschaften wie Branche, Größe oder Regionalität abhängt.
Ein kleiner mittelständischer Dienstleister würde in der klassischen Marktforschung wohl niemals im gleichen Segment wie ein Industriekonzern landen. Dabei können beide den gleichen Job-to-be-Done aufweisen.
Markt- und Konkurrenzanalysen
Das JTBD-Framework kann dazu dienen, den Kontext der Bedürfnisse ihrer Kunden zu verstehen und die entsprechenden Märkte oder Konkurrenten zu identifizieren. Auf diese Weise lässt sich genauer bestimmen, welches Absatzpotenzial ein Produkt oder eine Dienstleistung haben und welche Akteure hierzu in Konkurrenz stehen.
Dabei kann sich herausstellen, dass der Markt deutlich größer ist als ursprünglich angenommen. Netflix sieht sich zum Beispiel nicht nur mit anderen Streaming-Dienstleistern in Konkurrenz, sondern mit allen Optionen, die den Job „in der Freizeit entspannen“ befriedigen, wie Videospiele, Bücher, Clubs oder gesellige Abende mit Freundinnen und Freunden.
Was heißt das für den Unternehmenserfolg im B2B?
Übertragen auf Business-to-Business kann sich ein Unternehmen als Alternative zur Investition in eine neue Maschine entscheiden, die Komponente von einem Zulieferer zu beziehen, das Teil umzukonstruieren oder ein anderes Industrieunternehmen zu übernehmen, um die Fertigungskapazitäten zu erhöhen.
Diese Bestimmung von potenziellen Märkten und Konkurrenten ist wichtig, da sie Marketingstrategien beeinflusst. Wer sich nur darauf beschränkt, bestehende Konzepte zu verbessern, riskiert, von Mitbewerbern verdrängt zu werden, die aus dem Nichts kommen.
Kundenansprache nach Kundenbefragungen
In der Kundenansprache beschränken sich viele Anbieter darauf, die Vorzüge ihres Produkts oder ihrer Dienstleistung zu preisen. Sie sprechen selten über den Grund, weshalb ein Kunde überhaupt nach ihrem Angebot sucht. Selbst in der Value Proposition, die per Definition den Mehrwert für den Kunden widerspiegeln sollte, finden sich allzu oft nur Features, Funktionen und leere Phrasen.
Ziel einer gelungenen Kundenansprache im B2B ist ein Vertrauensaufbau. Für Kunden steht bei der Suche nach einem neuen Anbieter immer die Frage im Raum, ob das Unternehmen mit seinen Produkten und Services auch hält, was es verspricht. Je klarer die Kunden verstehen, dass Sie deren Nöte begreifen, desto höher sind ihre Chancen.
Jobs-to-be-Done schafft Vertrauen
Das JTBD-Framework ermöglicht, Botschaften zu formulieren, die den Bedürfnissen ihrer Kundschaft entsprechen und eine positive emotionale Reaktion erzeugen. Indem Unternehmen auf den Job to be Done potenzieller Kunden eingehen, stechen sie aus der Masse an Content-Angeboten sowie der Kommunikation in E-Mails, auf Webseiten bis hin zu Verkäufergesprächen heraus. So sichern sie sich die Aufmerksamkeit ihrer Zielkunden und bauen Vertrauen auf.
Es gibt beispielsweise einen Grund, weshalb Volvo oft mit Kindern und Hunden auf Familienausflügen wirbt, während Ferrari junge Menschen in Abendgarderobe bevorzugt, die durch exotische Landschaften brettern. Beide Automarken bedienen unterschiedliche Emotionen – Sicherheit/Geborgenheit für Volvo und Freiheit/Dominanz für Ferrari.
Es ist davon auszugehen, dass sich beide OEM eng mit ihren Kunden befasst haben, bevor sie ihre Kommunikationsstrategien formulierten.
Markenmanagement
Der JTBD-Ansatz erlaubt es, Markenstrategien präziser auf die Wünsche und Bedürfnisse einer Zielgruppe zuzuschneiden. Dies betrifft sowohl die Produktentwicklung als auch die Markenkommunikation.
Zum einen garantiert das JTBD-Framework, dass Unternehmen neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die tatsächlich den Job to be Done ihrer Kunden erfüllen. Teure Fehlentwicklungen, die zwar technisch beeindruckend, aber an den Aufgabenstellungen der Kundschaft vorbeigehen, werden auf diese Weise vermieden.
Zum anderen kann das Marketing das Image der Produkte und Dienstleistungen sowie des Anbieters effektiver auf die Zielgruppe zuschneiden. Es enthält eine detaillierte Anleitung für die Erstellung von Botschaften und Content-Bausteinen, die die Bedürfnisse in der Customer Journey widerspiegeln.
Das Ergebnis: Kunden nehmen das Angebot als Lösung für ihre Probleme wahr.
Einigen Anbietern ist es auf diese Weise gelungen, dass ihre Marke als Standard-Lösungsansatz für bestimmte Situationen angesehen wird. Beispiele hierfür sind Google (Informationsrecherche), Amazon (Onlinehandel) oder Tempo (Taschentücher).
JTBD-Methode: Beispiele für Kundenbedürfnisse
Das Jobs-to-be-Done-Framework zu durchschauen, ist zunächst nicht ganz leicht. Auf den ersten Blick wirkt es simpel, fast schon banal. Die Ziele und Bedürfnisse der Kunden im Blick zu halten, sollte für Marketing, Vertrieb und Co. eigentlich selbstverständlich sein. Wozu braucht es eine Methode wie Jobs-to-be-Done, wenn Erfahrung und Intuition zu den gleichen Ergebnissen kommen?
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass auch Menschen, die vermeintlich kundenzentriert arbeiten, oft überwiegend aus der Perspektive des Unternehmens agieren. Sie bauen ihre Strategien und Prozesse auf Informationen auf, die der Vertrieb in Kundengesprächen gesammelt hat, die Ingenieure sich ausdenken oder zu oberflächlich in der Marktforschung erhoben wurden. Doch diese Datenbasis ist unvollständig und spiegelt nicht zwangsläufig die Jobs-to-be-Done wider, die Kunden eigentlich erfüllen wollten.
Jobs-to-be-Done in der Praxis
Betrachten wir dazu ein Beispiel, das Christensen mit drei Kolleginnen und Kollegen 2016 in der Harvard Business Review zum JTBD-Framework veröffentlich hat.
Beschrieben wird ein Fall des Innovationsberaters Bob Moesta, der von einem Immobilienunternehmen in Detroit engagiert wurde. Ziel war, den Absatz von Eigentumswohnungen zu steigern, die für „Downsizer“ gedacht waren: Menschen, die aus familiären Gründen in ein kleineres Domizil umziehen wollen (zum Beispiel Rentnerinnen und Rentner, deren Kinder aus dem Haus sind).
Die Wohnungen waren in guter Lage und komfortabel ausgestattet. Ein kompetentes Vertriebsteam stand bereit, um potenzielle Käuferinnen und Käufer zu betreuen. Dazu wurde eine großzügige Marketing-Kampagne gestartet, um das Angebot zu bewerben.
Es gab jede Menge Interessentinnen und Interessenten für die Wohnungen. Der Verkaufserfolg blieb jedoch aus. Dabei führte der Immobilienentwickler umfangreiche Marktanalysen durch und passte sogar einige Wohnungen an die Ergebnisse der Fokusgruppen an. Trotzdem blieben die Verkaufszahlen unbefriedigend.
Der Innovationsberater näherte sich dem Problem mit Hilfe der JTBD-Methode und sprach mit Menschen, die sich für eine der Wohnungen entschieden hatten. In Gesprächen fand er heraus, dass es keine relevanten demografischen oder psychografischen Faktoren gab, die erfolgreiche Verkaufsabschlüsse kennzeichneten. Allerdings kamen seine Gegenüber immer wieder auf ihren Esstisch zu sprechen. Sie machten sich während des Verkaufsprozesses ständig Gedanken, wo sie den Esstisch hinstellen. Hierfür war in den Wohnungen oft nicht ausreichend Platz.
Das gab Moesta zu denken. Warum war der Esstisch für diese Menschen so wichtig? Es handelte sich mitnichten um Erbstücke oder teure Designermöbel, sondern um ganz normale Esstische, oft sogar mit starken Gebrauchsspuren.
Wie trug Jobs-to-be-Done dazu bei Kundenbedürfnisse zu erkennen?
Auf die Lösung kam Moesta erst, als er mit seiner eigenen Familie an Weihnachten zusammensaß. Der Esstisch ist kein einfaches Möbelstück, sondern ein Versammlungsort, an dem man Geburtstage feiert, Verwandte und Freunde trifft oder den Kindern bei den Hausaufgaben hilft. Was potenzielle Käuferinnen und Käufer von einer Entscheidung abhielt, war kein rationaler Grund, sondern ein emotionaler. Sie schreckten vor einer Veränderung zurück, symbolisiert von einem Möbelstück, das sie nicht aufgeben wollten: der Esstisch, der die Familie repräsentiert.
Diese Erkenntnis half Moesta dabei, den Job-to-be-Done seiner Zielkunden zu bestimmen: der Wechsel in eine neue Lebensphase. Auf dieser Basis identifizierten er und sein Team eine Reihe von Maßnahmen, um den Wohnungsabsatz zu steigern. Zum Beispiel vergrößerte das Unternehmen die Esszimmer der Einheiten, damit die alten Familienesstische hineinpassten. Zudem bot es einen Umzugsservice samt Möbeltransport an und stellte Lagerräume bereit, um persönliche Gegenstände zu deponieren, damit die neuen Eigentümer in Ruhe darüber nachdenken konnten, was sie behalten wollten.
Was war das Ergebnis?
All diese Maßnahmen trugen dazu bei, den Absatz des Unternehmens deutlich zu steigern. Während der Immobilienkrise 2007 gehörte es zu den wenigen Anbietern, die Gewinn erwirtschafteten, obwohl die Branche brach lag.
Wieso haben wir diese Geschichte betrachtet? Weil sie die Philosophie hinter Jobs-to-be-Done sehr gut verdeutlicht.
Das Immobilienunternehmen, in dessen Auftrag Bob Moesta tätig war, hat durchaus kundenzentriert gearbeitet. Sie haben Kundenbefragungen durchgeführt und ihr Angebot entsprechend ausgerichtet. Allerdings haben sie es versäumt, die tatsächliche Motivation ihrer Kunden zu ergründen. Genau das ist es, was Jobs-to-be-Done als Methode ausmacht.
Takeaways
- Jobs-to-be-Done ist eine Methode für die Analyse von Kundenanforderungen. Unternehmen finden damit heraus, warum sich die Mitglieder des Buying Centers für Produkte und Services entscheiden.
- Ein Job ist nach diesem Verständnis der Fortschritt, den das Kundenunternehmen mit der Lösung anstrebt. Damit verbunden sind direkte, funktionale Ziele sowie indirekte Ziele, z. B. Emotionen.
- Bei JTBD interviewen Anbieter acht bis zwölf Personen, die vor Kurzem an der Entscheidung für oder gegen ihr Angebot beteiligt waren. Hinzu kommen Umfragen, in denen Entscheider:innen über deren Buyer’s Story befragt werden.
- Der starke auf Fokus auf den Job der Kunden hilft, sich in Kommunikation und Argumentation auf deren Anforderungen auszurichten. Dazu hilft JTBD, Kunden sinnvoll zu segmentieren, Produkte und Services zu verbessern & sich vom Wettbewerb abzugrenzen.
Zusammengefasst: Analyse von Kundenbedürfnissen
Das Jobs-to-be-Done-Framework hilft B2B-Unternehmen, Kundenbedürfnisse zu ermitteln und Aktivitäten in Marketing, Vertrieb, Service und Produktentwicklung konsequent darauf zuzuschneiden. Es handelt sich um ein strategisches Werkzeug, mit dem Sie das Fundament für ein kundenbasiertes Wachstum (Customer-led Growth) legen.
Charakteristisch für den Ansatz ist die Perspektive auf die Aufgaben, die Kunden mithilfe eines Produktes oder Services erledigen wollen. Dieser Job, den Sie bei JTBD identifizieren und analysieren, fungiert folglich als Fixpunkt, auf den Sie alle kundennahen Aktivitäten ausrichten. Erfolge aus der Vergangenheit werden dabei für die wichtigsten Kundensegmente systematisiert.