Seit geraumer Zeit denke ich darüber nach, zu welcher Marketingstrategie eigentlich Social-Media-Marketing bzw. auch Inbound Marketing passen. Meine Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen und ich freue mich über Ergänzungen und Einwände.
Social-Media baut eine intensive Kommunikation mit potentiellen oder bestehenden Kunden auf. Für mich ist es daher eine Unterkategorie von Inbound Marketing, da es dabei um den einbindenden Umgang aktiver Kunden geht. Ob dies nun über Social-Media, offline-Maßnahmen oder auch die eigene Website geht, ist dabei irrelevant (allerdings eine Effizienzfrage).
Wettbewerbsmatrix nach Porter
Zunächst erstmal etwas Basisarbeit: Eine Marketingstrategie beschreibt den Handlungsrahmen und den Weg zu einem Marketingziel. Dabei werden laut Michael Porter drei Grundtypen in der Wettbewerbsmatrix unterschieden:
- Kostenführerschaft
Das Unternehmen strebt einen hohen Marktanteil an, indem es die niedrigsten Kosten hat und dadurch die niedrigsten Preise anbieten kann. Der Markterfolg entscheidet sich also über den Preiswettbewerb. - Differenzierung
Diese Strategie setzt darauf, dass das Unternehmen einen bestimmten, für den Kunden wichtigen Nutzen anbietet, den andere Anbieter nicht oder nur im geringeren Maße vorweisen können. Dimensionen sind dann z. B. Service, Qualität oder Design. - Nischenbesetzung
In diesem Fall spezialisiert sich ein Anbieter auf eine Nische, die größere Unternehmen links liegen lassen, da für sie diese Spezialangebote nicht lukrativ sind. Der Nischenanbieter wird also gewählt, weil er überhaupt passende Produkte/Dienstleistungen bzw. da wiederum die besten anbietet.
Die drei Grundstrategien im Vergleich
Wenn wir uns nun also die drei Grundstrategien anschauen, sollte schnell auffallen, dass ein Anbieter, der Kostenführerschaft anstrebt, mit Social-Media wenig am Hut haben dürfte. Seine zentrale Information ist der Preis, was keine besonders komplexe Kommunikation erfordert. Statt in diese investiert er auch eher in seine Geschäftsprozesse, Beschaffung oder den reinen Vertrieb.
Bei Differenzierungs- und Nischenstrategien sieht es da schon anders aus.
Bei der Strategie der Differenzierung versucht der Anbieter sich ja über komplexere Merkmale zu differenzieren und über diese muss er auch kommunizieren. Über Service, Qualität und Design tauschen sich auch die Kunden gerne aus.
Ähnlich ist es in einem Nischenmarkt: Hier gibt es eine geringere Anzahl an potentiellen Kunden. Sie können über Social-Media gebunden werden. Die Kommunikation kann dann auch sehr zielgruppenspezifisch bzw. fachspezifisch werden.
Kundennutzen statt Interaktion und Einbindung
Trotzdem bin ich noch nicht ganz überzeugt. Bei diesen Grundtypen gehen die Überlegungen immer von einem vorhandenen Produktangebot (bei Dienstleistungen ist es nicht anders, aber um Verwirrung zu vermeiden lasse ich das mal weg) aus. Der Anbieter entwickelt einen Kundennutzen (befriedigt Wunsch nach niedrigen Kosten, hoher Qualität oder Nische) und bietet das dann an.
Was aber, wenn das Ergebnis noch gar nicht feststeht? Bei B2B kommt das doch fast durchgängig vor: Eine Maschine muss konstruiert und gebaut werden, eine Software angepasst und weiter entwickelt werden. Dann entscheidet sich ein Kunde aufgrund der Erfahrung der Interaktion oder Einbeziehung für einen Anbieter. Genau das will Inbound Marketing und auch Social-Media-Marketing ausdrücken. Ziel ist eine Simulation: Schau mal, wie wir uns um Dich kümmern, so ähnlich findet das auch statt, wenn wir zusammen arbeiten.
Wenn ein Anbieter einen Kunden über den Grad an Interaktion oder Einbeziehung überzeugen will, dann steckt dahinter sicherlich eine Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb. Die Überzeugungskraft entsteht aber über die Beziehung und nicht oder zumindest weniger über das Angebot.
Das Angebot tritt meines Erachtens hinter der Interaktion zurück. Also nicht weil der Anbieter das schönste oder praktischste Produkt hat, sondern weil der Weg zum Kauf am besten ist, weil der Kunde sich einbringen kann, weil keine fertigen Produkte den Nutzen stiften sollen, sondern die gemeinsame Abstimmung des Ergebnisses.
Bei einem Unternehmen, dass auf Inbound Marketing oder auf Social-Media-Marketing setzt, muss das nicht so sein. Es muss nicht, weil natürlich trotzdem die Qualität oder die Nische entscheidende Faktoren sind bzw. zentrale Marketingstrategien sein können. Möglicherweise akzeptiert der Kunde sogar ein Produkt, das in einer bestimmten Dimension gegenüber einem anderen schlechter ist, weil ihn die Interaktion (Nähe, gemeinsame Werte, Verbundenheit, Dankbarkeit) überzeugt.
Betrachtung durch die SD-Logic- und Co-Creation-Brille
Die Konzepte, die bei meinen Überlegungen hereinwirken, sind natürlich wiederum Service Dominant Logic und Co-Creation. Der meines Erachtens zentrale Gedanke der Service Dominant Logic ist, dass es keinen Kundennutzen gibt ohne den Kunden. Dieser Nutzen entsteht erst, wenn der Kunde das Produkt nutzt und damit geschieht es immer mit seiner Einwirkung. Der Anbieter kann nur Optionen zur Verfügung stellen.
Co-Creation sollte man sich nicht „zu groß“ vorstellen. Es geht viel mehr um die gemeinsame Abstimmung als darum, dass ein Produkt von vorne bis hinten gemeinsam mit dem Kunden erfunden wird.
Co-creation is a form of market or business strategy that emphasises the generation and ongoing realisation of mutual firm-customer value. It views markets as forums for firms and active customers to share, combine and renew each other’s resources and capabilities to create value through new forms of interaction, service and learning mechanisms. It differs from the traditional active firm – passive consumer market construct of the past. (Definition aus der englischsprachigen Wikipedia)
Aber ich frage mich, ob Inbound Marketing nicht eine grundsätzlich andere Marktingstrategie ist.
Aber wenn man z. B. das Blog von Francis Gouillart liest, einem der Vordenker für Co-Creation, erkennt man schnell, welche andere Denkweise er hat. Dies ist meines Erachtens auch die Herausforderung, wenn man Stephen L. Vargo und Robert F. Lusch liest, die Begründer der Service Dominant Logic. Man muss die eigenen Denkmuster durchbrechen, die sich spätestens seit der Uni im Kopf festgesetzt haben. Ich habe das ein gutes Stück weit geschafft, aber es ist noch ein weiter Weg.