Marketing und Vertrieb wollen eine möglichst positive Customer Experience bieten. Das funktioniert nicht, wenn Sie Ihre Strategien und Maßnahmen aus dem Bauch heraus planen. Customer Centricity gelingt nur, wenn Sie Ihre Kunden exakt verstehen. Dafür müssen Sie mit Entscheider:innen sprechen und die Interviews systematisch auswerten.
Marketing & Sales arbeiten zu oft am Kunden vorbei
Vor einigen Jahren haben wir in einem Projekt elf Kunden eines mittelständischen Software-Anbieters interviewt. Ziel war, deren Buyer‘s Story nachzuvollziehen und Muster zu erkennen, die uns bei der Entwicklung einer Marketing- und Sales-Strategie helfen.
Das Ergebnis dieser Befragung war aufschlussreich:
- Das Marketing des Software-Unternehmens verfolgte bis dahin eine Inbound-Marketing-Strategie. Dessen Inhalte konzentrierte sich darauf, den Kunden von der Notwendigkeit der Software zu überzeugen. Dieser Aspekt stand bei der Ansprache auf der Website und im Blog im Mittelpunkt.
- Dass die Software für sie Sinn ergibt, war allen elf Befragten bereits zu Beginn der Buyer’s Journey bewusst. Darüber brauchten sie keine Informationen. Ihr Problem bestand darin, die Lösungen am Markt einzuordnen und die Anforderungen an das System zu definieren. Hierzu fand sich zum Zeitpunkt der Interviews wenig bis gar kein Content. Das galt übrigens nicht nur für unseren Kunden, sondern genauso für deren Wettbewerber.
Auch der Vertrieb des Software-Anbieters konzentrierte sich in Pitches auf die falschen Themen. Einige Befragte berichteten, dass es sie nervte, zu Beginn der Sales-Präsentation schon wieder allgemeine Vorteile zu hören. Den Ausschlag erhielt der Software-Anbieter in mehreren Fällen nicht wegen des guten Eindrucks von Marketing und Vertrieb. Stattdessen waren die Empfehlungen aus dem Netzwerk des Kunden ausschlaggebend.
Warum dieses Beispiel?
Solche Abweichungen zwischen Anbieter- und Kundenperspektive sind nicht untypisch. Sie stehen sinnbildlich für eine Entwicklung im B2B-Online-Marketing (und auch im Sales), auf die Unternehmen dringend reagieren müssen. Kunden bereiten ihre Entscheidungen zunehmend in einem Umfeld vor, das als „Dark Social“ bezeichnet wird. Sie meiden den Kontakt zu Anbietern und wollen sich seltener (bzw. später) registrieren. Lieber interagieren sie mit ihrem Netzwerk und nutzen Content, der keine Anmeldung erfordert.
Marketing- und Vertriebsaktivitäten gestalten sich vor diesem Hintergrund schwieriger:
- Die Messbarkeit sinkt: Gesetze wie die DSGVO macht es für Unternehmen in der EU zunehmend schwieriger, personenbezogene Daten zu verarbeiten. Dazu gehören Regelungen über Cookies, Double Opt-in etc. Dadurch sinken Tracking-Möglichkeiten. Zugleich füllen immer weniger Menschen Formulare aus, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Das alles führt zu weniger Daten, mit denen Marketing- und Salesteams arbeiten können.
- Der Vertrieb sieht immer weniger: Der Kontakt zum Kunden verschiebt sich zeitlich nach hinten. Der Vertrieb bekommt daher kaum etwas vom Entscheidungsprozess mit. Wie die Buyer’s Journey in den frühen Phasen läuft, kann er nicht nachvollziehen.
- Da der Sales weniger mit den potenziellen Kunden interagiert, bleibt weniger Zeit vor dem Abschluss bleibt. Daher steigen die Anforderungen an Effektivität und Effizienz der Vertriebsarbeit.
- Effektivität: Es lohnt sich anhand von Lead-Informationen, einigen Fragen und Antworten zielsicher zu erkennen, zu welchem Kundensegment ein Unternehmen gehört. Mit anderen Worten: Welchen Job der Kunde mit der Investition verbindet. Dann können sie die Customer Experience in den wenigen Interaktionen so positiv wie möglich gestalten.
- Effizienz: Die Erkenntnisse aus den verfügbaren Daten sollten genutzt werden, um die Entscheidung zu beschleunigen. Dies resultiert in effizienten Gespräche. Potenzielle Kunden wollen am Ende ihres Kaufprozesses nicht noch einmal alles erklären. Zudem sind sie nicht gewillt, unnötige Komplikationen zu erleben.
- Strategien der Wettbewerber gleichen sich an: Mangels Informationen über die Perspektive der Kunden entstehen Pläne und Aktivitäten in den kundennahen Bereichen rein intern. Da sich die Vorstellungen über Zielgruppen innerhalb einer Branche selten unterscheiden, sind Marketing- und Sales-Strategien in einem Markt oft mehr oder weniger gleich. Nuancen in der Customer Experience, die aber den Ausschlag geben können, stellen sich so nicht ein, da alles ähnlich klingt.
- Emotionale Faktoren werden ignoriert: Wenn wir Entscheider:innen interviewen, berichten diese häufig davon, dass am Ende das Bauchgefühl ausschlaggebend war. Dieses Bauchgefühl entwickelt sich innerhalb der Interaktionen mit dem Marketing und dem Content auf der einen Seite, zum anderen aber aufgrund des Vertrauens, dass sie im Austausch mit dem Vertrieb gewonnen haben. Je besser Sie die Kunden verstehen und Segmenten zuordnen können, desto besser gelingt es, die Ansprache zu optimieren und so das Bauchgefühl zu beeinflussen.
- Kunden bleiben im Regen stehen: Unser Beispiel sollte nicht zuletzt verdeutlichen, wer unter den Schwierigkeiten der Anbieter leidet: Die Entscheider:innen in Kundenunternehmen. Sie treffen auf Anbieter, die ihre Situation nicht begreifen und ihnen keine Hilfe bei der Vorbereitung des Kaufs bzw. der Beauftragung sind. Diese Irritationen sind zu vermeiden und vermeidbar.
Customer Experience geht nicht ohne Kundenwissen
Die Customer Experience – das Erlebnis, das Kunden in der Gesamtheit mit einem Anbieter widerfährt – entwickelt sich in B2B-Branchen zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Immer häufiger entscheiden nicht der Preis oder die Qualität des Produktes/Services. Dafür ähneln sich Angebote am Markt oft zu stark. Den Ausschlag gibt stattdessen die Qualität des Kundenerlebnisses.
B2B-Unternehmen können diese Entwicklung nutzen, um im Wettbewerb zu punkten. Dazu müssen sie sich eingehend mit der Situation ihrer Zielgruppe beschäftigen. In der Folge richten sie ihre Marketing- und Vertriebsmaßnahmen gezielt auf die Bedürfnisse ihrer Kunden aus. Dieser Vorteil ist schwer zu kopieren.
Um Kunden zu verstehen, braucht es jedoch persönliche Gespräche, in denen Entscheider:innen ihre Sicht der Dinge darlegen.
Kunden verstehen – gibt es dafür eine Methodik?
Möchten Sie Ihre Kunden verstehen? Dann sollten Sie sich nicht auf die üblichen Wege verlassen. Interne Workshops mit dem Vertrieb sind zwar eine Möglichkeit, aber die Einblicke sind oft unstrukturiert. Zudem fehlt eine Methode, den Input zu analysieren. Marktforschung, Fragebögen oder Dateneinkäufe versorgen Sie mit vielen quantitativen Daten. Diese sind zwar umfangreich, aber sie liefern oft nur oberflächliche Informationen, wie Branche, Größe, Region oder Meinungen.
Was Ihnen hingegen deutlich weiter hilft, ist zu verstehen, warum sich Ihre Kunden für Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung entscheiden.
So finden Sie es heraus: Analysieren Sie Ihre Kunden strukturiert. Dafür eignen sich zwei Methoden, die sich in der Praxis ähneln. Bei der Auswertung ergeben sich aber unterschiedliche Schwerpunkte.
- Buyer Personas nach Adele Revella: Buyer Personas stellen typische Kaufprozesse dar, die sich je nach Kontext unterscheiden. Sie basieren auf Daten und Erkenntnissen aus ca. einem Dutzend Interviews mit Kunden. Die Entscheidung für oder gegen Ihr Produkt sollte wenige Monate her sein. Die Gespräche analysieren Sie mit Blick auf die „5 Rings of Buying Insights“ und suchen dabei nach Mustern. Adele Revella bezeichnet diese als Investitionsauslöser, Erfolgsfaktoren, typische Hürden, Entscheidungseinflüsse und -kriterien. Buyer Personas helfen Marketing und Vertrieb dabei, ihre Botschaften und Angebote besser auf die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe abzustimmen.
- Jobs-to-be-Done (JTBD): JTBD setzt ebenfalls auf Interviews und nutzt darüber hinaus Kundenumfragen, die zusätzliche Daten für die Analyse bringen. Im Gegensatz zum Buyer-Persona-Ansatz konzentriert es sich neben dem Entscheidungsprozess stärker darauf, was Kunden mithilfe des Anbieters erreichen möchten. Ein „Job“ ist in diesem Kontext der Fortschritt, den ein Kundentyp mit dem Produkt oder Service des Anbieters initiieren will. Es geht stärker darum, die Situation der Kunden im Rahmen der Kundenreise zu verstehen und sich darauf an jedem Touchpoint auszurichten.
Fazit: Kundenorientierung erfordert Verständnis
Marketing und Vertrieb haben zunehmend Schwierigkeiten, das Verhalten ihrer Kunden im Kaufprozess zu verstehen. Ihre Strategien basieren oft auf vagen Annahmen, die intern gesammelt und nicht hinterfragt werden. Die Folge ist eine unzureichende Kundenerfahrung und Kundenzufriedenheit.
Wer kundenzentrisches Marketing betreiben will, muss seine Kunden verstehen. Das mag plump klingen, ist aber keine leichte Aufgabe. Dafür müssen Anbieter (bzw. deren Berater:innen) mit Entscheider:innen sprechen und deren Buyer’s Journey analysieren. Das Ergebnis sind Erkenntnisse, die anderen Unternehmen in einer Branche fehlen. Darauf aufbauend können Unternehmen eine Strategie entwickeln, die tatsächlich zu ihren Kunden passt, und so einen Wettbewerbsvorsprung darstellt.