Potenzielle Kunden sind in vielen Branchen kaum noch bereit, sich für Content zu registrieren. Das führt digitale Lead Generierung mancherorts an Grenzen. Eine Antwort auf diese Entwicklung ist Demand Generation. Marketing und Vertrieb wollen damit das Interesse von Menschen an ihren Produkten und Dienstleistungen aktiv steigern. Wie funktioniert das?
Was ist Demand Generation?
Demand Generation (auch: Demand Gen) ist eine Marketingstrategie, die Nachfrage gezielt fördert und ein Vertrauensverhältnis zu potenziellen Kunden aufbaut. Im Kern geht es darum,
- Aufmerksamkeit für eine Marke (Brand Awareness), Produkte und Dienstleistungen zu erzeugen,
- sich als Vordenker (Thought Leader) seiner Branche zu positionieren,
- den Mitgliedern des Buying Centers alle Informationen zu liefern, die sie zum Entscheiden brauchen und
- eine Community aus Kontakten aufzubauen, die sich für die Themen des Anbieters interessiert und dessen Inhalte, Produkte und Services weiterempfiehlt.
Nachfragegenerierung ist keine Kampagne. Es ist langfristig ausgelegt. Anbieter suchen damit nicht nur nach Kunden, die gerade entscheiden, sondern auch Kontakte, die erst in einigen Monaten oder gar Jahren kaufbereit sind. Das macht Demand Generation vielschichtiger und „breiter“ als vergleichbare Strategien.
Was ist der Unterschied zwischen Lead Generation und Demand Generation?
Im B2B-Marketing sind bis heute Strategien für die digitales Lead Management der Standard. Methoden wie Inbound-Marketing zielen darauf ab, Interessent:innen mit Content zu einer Conversion zu bewegen und die neuen Kontakte via Lead Nurturing für den Sales Funnel zu qualifizieren.
Dieser Ansatz, der dem Tauschprinzip ähnelt (Informationen gegen Daten), funktioniert allerdings in vielen Unternehmen nicht mehr. Das hat mehrere Gründe:
- Content Shock: In vielen Themenbereichen gibt es so viel Content, dass eine Registrierung aus Kundensicht nicht nötig ist. Die Informationen gibt es an anderer Stelle ohne Anmeldepflicht.
- Weniger Daten: Die Möglichkeiten, das Verhalten von Kunden zu tracken, wurden in den vergangenen Jahren rechtlich und technisch eingeschränkt.
- Schlechte Erfahrungen: Manche Anbieter setzen auch im Inbound Ansatz auf einen offensiven Sales. Das hat auf Kundenseite spürbar für Zurückhaltung gesorgt.
- Fehlende Transparenz: Entscheidungen werden zunehmend im Dark Social vorbereitet. Wie die Mitglieder des Buying Centers mit ihrem Netzwerk interagieren, können Anbieter nicht nachvollziehen.
Demand Generation ist eine Reaktion auf diese Entwicklungen. Marketing und Vertrieb akzeptieren damit, dass sie das Verhalten potenzieller Kunden nur sehr bedingt messen und beeinflussen können. Deswegen fokussieren sie sich nicht auf die Lead-Generierung, sondern lassen ihren Zielgruppen noch mehr Freiheit beim Entscheiden.
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Was das bedeutet, wird am Beispiel Content deutlich. Statt entscheidungsrelevante Inhalte mit einer Barriere zu versehen (Gated Content), bieten Firmen sämtliche Informationen, die für Kunden relevant und wichtig sind, frei zugänglich (Ungated) an. Whitepaper oder E-Books gibt es nach dieser Logik ohne Registrierungszwang als pdf zum Download. Der Kunde erhält Hilfe ohne Gegenleistung.
Die Idee hinter Demand Generation wurde maßgeblich vom US-Amerikaner Chris Walker, Geschäftsführer der Marketing-Agentur Refine Lab, geprägt. An seinem Beispiel wird deutlich, wie die Strategie in der Praxis funktionieren kann. Walker beschreibt seinen Ansatz regelmäßig in Webinaren, Podcasts oder auch Videos und ermöglicht seinen Kontakten dort, ihm Fragen zu stellen und mit ihm zu diskutieren. So hat er eine Community aus Menschen aufgebaut, die seine Inhalte hören, teilen und weiterempfehlen. Heute betreut die Agentur meines Wissens über 100 Kunden. Aus dem 1-Mann-Unternehmen hat sich in zwei bis drei Jahren eine Firma mit rund 100 Mitarbeiter:innen entwickelt.
Welche Rolle spielt Content Marketing?
Content Marketing ist auch bei Demand Generation der wesentliche Hebel, den Marketer bedienen. Anders als bei der Leadgenerierung müssen Anbieter hier alle Informationen, die für Zielkunden entscheidungsrelevant und hilfreich sind, aktiv verbreiten und inhaltlich mehr in die Tiefe gehen. Planung, Erstellung und Distribution von Inhalten sind daher noch komplexer als ohnehin. Der Anspruch ist, sich als Experte seiner Branche zu positionieren und diese „Thought Leadership“ erlebbar zu machen.
Auf welchem Weg dies geschieht, hängt von den Präferenzen der Zielgruppe ab (dazu gleich mehr). Typisch sind Kanäle, in denen Anbieter Follower generieren und mit diesen Kontakten interagieren können, z. B. LinkedIn, XING oder YouTube. Neben Social Media Marketing & Social Selling sind außerdem Suchmaschinenwerbung, SEO und E-Mail-Marketing wesentliche Bestandteile von Demand Generation.
In Sachen Content-Formate erfindet der Ansatz das Rad nicht neu. Effektiv sind zum Beispiel
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- Webinare
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- Podcasts
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- Videos
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- Case Studies
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- Guides & Anleitungen
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- Checklisten
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- Preisrechner
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- Personalisierte E-Mail-Kampagnen
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- Info-Grafiken
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- Gastbeiträge in Fachmedien
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- Testversionen
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- Produktdemos
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- Templates
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- Gutscheine
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- Gewinnspiele
Besonders geeignet sind Formate, die einen Dialog zwischen Anbieter und Zielgruppe ermöglichen. Eine Fragerunde nach dem Webinar, ein hilfreicher Tipp im Kommentarbereich eines Social Media Posts oder ein kurzer Chat auf der Website helfen, für Entscheider:innen greifbarer zu werden.
Inhalte für Demand Generation vermitteln im Idealfall neue Sichtweisen, die Kunden in dieser Form noch nicht kennen. Sie vermitteln tiefes Verständnis für die Perspektive der Zielgruppe und geben Kunden das Gefühl, dass der Anbieter seine Herausforderung lösen kann. Dazu helfen die Informationen ihm, Lösungen und Alternativen zu vergleichen. Dieser Anspruch, den die Marktanalysten von Gartner als Sensemaking bezeichnet, unterstützt Kunden, für sich die beste Lösung zu finden.
Wann ergibt Nachfragegenerierung für B2B Unternehmen Sinn?
Eine Strategie für Demand Generation hilft Unternehmen,
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- die komplexe, erklärungsbedürftige Angebote bieten und
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- deren Kunden einen aufwendigen Recherche- und Auswahlprozess durchlaufen.
Wir als Agentur führen Demand Generation aktuell für Beratungsunternehmen und B2B-SaaS-Anbieter durch. Sinnvoll ist Nachfragegenerierung darüber hinaus in HighTech-Firmen.
Demand Generation und Lead Generation schließen sich nicht zwingend aus. Grundsätzlich spricht zum Beispiel nichts dagegen, Whitepaper, E-Books oder Tools zum Download anzubieten, ein Lead Scoring im Marketing Automation System zu dokumentieren und Inhalte parallel auf anderen Channels ohne Restriktionen zu veröffentlichen.
Demand Generation Marketing planen und umsetzen
Eine Demand-Generation-Strategie fußt inhaltlich auf vier Säulen:
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- Analyse
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- Content-Produktion
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- Content Seeding
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- Performance-Messung & Optimierung
1. Analyse
Eine kundenzentrische Strategie wie Demand Gen ist nur erfolgreich, wenn Unternehmen verstehen, wie ihre wichtigsten Kundentypen Entscheidungen treffen. Klassische Martkforschung und Performance-Daten reichen dafür nicht aus. Viel mehr braucht es qualititative Insights davon, worauf es den Entscheider:innen in einer Branche ankommt, wenn sie Produkte oder Dienstleistungen bewerten:
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- Was will dieser Entscheidungstyp mit dem Produkt oder Service erreichen?
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- Welche Fachabteilungen reden in dem Prozess mit?
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- Wie sind die Hierarchien im Buying Center?
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- Wie gehen die Mitglieder des Buying Centers vor – wie und über welche Quellen informieren sie sich?
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- Welche Informationen brauchen sie?
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- Was fällt diesen Kunden im Recherche- und Auswahlprozess schwer?
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- Worauf legen sie bei einem Anbieter wert?
Die Fragen lassen sich nicht in einem internen Brainstorming beantworten. Anbieter erhalten diese Insights nur, wenn sie mit ihren Kunden sprechen und sich deren Geschichte anhören (Storylistening). Dafür eignen sich aus unserer Sicht zwei Methoden: Buyer Personas a la Adele Revella sowie das Jobs-to-be-Done-Framework nach Clayton M. Christensen.
Beide Analyseansätze basieren auf acht bis zwölf Interviews mit Kunden, die dem Ideal Customer Profile (ICP) ähneln und sich vor Kurzem für oder gegen ein Produkt oder eine Dienstleistung entschieden haben. Im Falle von Jobs-to-be-Done lassen sich die Informationen mithilfe von Online-Befragungen ergänzen.
Die Antworten der Kunden werden nach Mustern untersucht, die Aufschluss über Entscheidungsprozesstypen geben. Es entsteht ein klares Bild über die Anforderungen der wichtigsten Kundengruppen, das sich in einer Customer Journey Map visualisieren lässt (inkl. einer strukturierten Darstellung der wichtigsten Erkenntnisse).
2. Content-Produktion
Buyer-Persona- und Jobs-to-be-Done-Analysen gewähren Einblicke in das Buying Center, die den meisten Unternehmen fehlen. Darauf aufbauend kann eine Content-Marketing-Strategie entstehen, deren Inhalte und Argumentationen genau dem entsprechen, was Kundentypen in den Befragungen thematisiert haben. So schaffen Unternehmen die Basis für eine zielkundenorientierte Kommunikation, die sich vom Wettbewerb unterscheidet.
Dem Anspruch an Thought Leadership wird das Marketing nicht alleine gerecht. Es benötigt Unterstützung aus anderen Fachbereichen. Die Erstellung von Inhalten ist nur sinnvoll, wenn die Fachexpert:innen im Unternehmen intensiv daran mitarbeiten. Sie müssen ihre Expertise nach außen tragen und ihr Unternehmen auf unterschiedlichen Kanälen repräsentieren. Das erfordert ein klares Commitment der betroffenen Mitarbeiter:innen sowie eine engere Zusammenarbeit zwischen Marketing und Sales (& der beteiligten Abteilungen).
3. Content Seeding
Die Erkenntnisse der Kundenanalyse helfen Anbietern, die Nachfrage nach ihrem Produkt oder Service über die richtigen Kanäle zu steigern. Sie erfahren, welche Recherchemittel genutzt werden und welche Maßnahmen eher unwichtig sind. Das erleichtert die Distribution des Contents.
Trotzdem ist Demand Generation gerade hier besonders aufwendig. Unternehmen muss es gelingen, gesehen zu werden und ihre Expertise unaufdringlich, aber prägnant zu demonstrieren. Daher gilt es, beim Content Seeding möglichst viele Dinge auszuprobieren, den Kontakt zu möglichen Kunden aktiv zu pflegen und sich über verschiedene Plattform im Gedächtnis der Zielgruppe zu verankern.
Gerade in umkämpften Branchen bietet es sich an, Inhalte zu erstellen, die in Sachen Format vom Standard abweichen. Pflegen alle Wettbewerber einen Blog, sind ein Podcast, eine Webinar-Reihe oder Auftritte auf Messen und Fachtagungen möglicherweise die bessere Wahl.
Eine der bekanntesten Spielarten der Nachfragegenerierung ist das Account-based Marketing. Hierbei fokussieren Anbieter ihre Marketing- und Vertriebsressourcen auf besonders lukrative Accounts bzw. Accountsegmente, die so individuell wie möglich bearbeitet werden. Werkzeuge, die Nachfrage auf Kundenseite erzeugen sollen, sind u. a. personalisierter Content, Inhalte auf Thought-Leader-Niveau sowie Social Selling.
4. Performance-Messung & Optimierung
Demand Generation ist mit der Einsicht verbunden, dass wir von außen nicht klar sagen können, was das Buying Center tut. Solange der Kunde keine klaren Signale gibt (z. B. durch die Buchung eines Beratungsgesprächs oder einer Testversion), wissen wir wenig darüber, was in diesen Unternehmen geschieht. Das macht digitale Marktbearbeitung deutlich schwieriger.
Das heißt natürlich nicht, dass Daten und Kennzahlen für Nachfragegenerierung keine Rolle spielen. Informationen, die Hinweise über den Erfolg unserer Maßnahmen geben, behalten wir im Blick. Das betrifft beispielsweise
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- die Effektivität der Kanäle, über die der Content ausgespielt wird,
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- die Zahl der qualifizierten Leads & Opportunities, die das Marketing für den Sales generiert oder
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- den Anteil am Umsatz, den Demand Generation für das Unternehmen beigetragen hat.
Für eine Bewertung des Entscheidungsprozesses der Kunden reichen diese Informationen allerdings nicht aus. Sie geben Hinweise darauf, welche Maßnahmen funktionieren, was optimiert werden sollte und was keine Wirkung zeigt. Das ist wichtig, denn Demand Gen erfordert gerade am Anfang eine Menge Tests und Optimierungsschleifen. Wer den Ansatz erfolgreich nutzen will, muss darüber hinaus aber verstehen, wie die Buyer’s bzw. Customer Journey der wichtigsten Zielgruppensegmente funktioniert.
Eine weitere wichtige Datenquelle sind von den Entscheider:innen abgegebene Informationen in Freifelder von Formularen (Self-reportet Attribution). Sollten Sie einen Beratungstermin wünschen oder eine Testversion herunterladen wollen, werden Sie gefragt, wie Sie auf uns als Anbieter aufmerksam geworden sind. Grund ist, dass die automatische Attribuierung in Marketing-Automation-Systemen fehlerhaft ist.
Ein Beispiel: Nehmen wir an, ein treuer, aber stiller Zuhörer Ihres Podcasts sucht den Namen ihrer Website und registriert sich dann für ein Gespräch. Eine Software würde Google als Quelle zu dieser Interaktion verzeichnen. Dass eine langfristige Beziehung besteht und in Wahrheit ihr Podcast den Löwenanteil an diesem Neukontakt hat, würde sonst überdeckt. Sollte dies regelmäßig passieren, wären Investitionen in Ihren Podcast gerechtfertigter als in ihre Suchmaschinenoptimierung.
Marketing und Sales ziehen bei Demand Gen an einem Strang
Demand Generation umfasst eine Vielzahl an Disziplinen, die in Kombination klare Schwächen der Lead Generation ausgleichen sollen. Statt auf Registrierungspflicht setzt es auf frei zugängliche Inhalte, die Kunden die Entscheidung für komplexe Produkte und Dienstleistungen erleichtern. Sie entwickeln und pflegen ein Netzwerk aus Menschen, die nicht unbedingt heute, aber in naher Zukunft an einem Kauf interessiert sein könnten. Was auf Messen, Kongressen oder Tagungen schon immer Gang und Gäbe war, wird in gewisser Hinsicht in die digitale Welt übertragen.
Damit das funktioniert, braucht es einerseits eine kundenzentrische Strategie, die sich aus realen Aussagen relevanter Entscheidungstypen ergibt. Andererseits müssen Fachexpert:innen, Marketing und Vertrieb bei Demand Generation eng zusammenarbeiten. Das erfordert neue Prozesse und Strukturen, aber auch eine andere Kultur. Grenzen, die gerade Sales & Marketing allzu häufig trennen, müssen überwunden werden. Nur dann ist ein Content-Marketing möglich, das sich für den Aufbau einer Community eignet.