Inbound Marketing will potenzielle Kunden mit entscheidungsrelevantem Content zu einer Conversion bewegen. Die so gewonnenen Kontakte werden via Lead Nurturing kontinuierlich entwickelt, bis sie für eine Übergabe an den Vertrieb geeignet sind. Wann hierfür der richtige Zeitpunkt ist, findet Ihr Unternehmen mithilfe von Lead Scoring heraus. Wie das im B2B-Marketing funktioniert und welche Tipps Ihnen bei der Umsetzung helfen, schauen wir uns in diesem Beitrag genauer an.
Was ist Lead Scoring?
Die meisten Marketing-Teams werden anhand der Menge und Qualität der Leads bewertet, die sie an den Vertrieb übergeben. Dies führt oft zu Spannungen:
- Sind die Zahlen schlecht, beschuldigt das Marketing den Vertrieb, bestimmte Leads nicht gut genug bearbeitet zu haben.
- Umgekehrt behauptet das Sales-Team, die Qualität dieser Leads sei schlichtweg ungenügend.
Eine Möglichkeit, solche Konflikte zu vermeiden und die Wahrscheinlichkeit von Geschäftsabschlüssen zu erhöhen, ist das Lead Scoring. Dabei handelt es sich um ein Verfahren zur Bewertung von Leads, bei dem das Verhalten dieser Kontakte anhand von Punkten beurteilt wird.
Ab wann sind Leads bereit für den Vertrieb?
Im Kern dreht sich beim Lead Scoring alles um die Frage nach dem „Reifegrad“ eines potenziellen Kunden. Also darum, ab welchem Zeitpunkt Sie sicher sein können, dass ein Kontakt entscheidungsfähig und -bereit ist.
Marketing-Experten sprechen in diesem Zusammenhang gern von der Transformation eines Marketing-qualified Leads (MQL) zum Sales-qualified Lead (SQL). Beide Begriffe sind wichtig, um Lead-Scoring-Modelle in allen Facetten zu verstehen:
- Ein Marketing qualified Lead ist ein Kontakt, der grundsätzliches Interesse an Ihrem Angebot bekundet hat. Im Inbound Marketing handelt es sich in der Regel um neu gewonnene Leads, die ein Conversion-Angebot wahrgenommen haben. Ob diese Personen (bzw. deren Unternehmen) tatsächlich eine Kaufabsicht verfolgen, ist jedoch nicht in Stein gemeißelt. Wahrscheinlicher ist, dass ein MQL noch Zeit braucht, um seine Entscheidung vorzubereiten.
- Ein Sales qualified Lead hat das Angebot Ihres Unternehmens mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in die engere Wahl bezogen. Seine Kaufbereitschaft erkennen Sie beispielsweise daran, dass Ihr Lead sich für ein Download-Angebot registriert und auf mehrere Follow-Up-Mails reagiert hat. Ihr potenzieller Kunde befindet sich nun höchstwahrscheinlich in einem Stadium, in dem er die zu seiner Herausforderung passenden Anbieter vergleicht.
Damit Sie einen MQL zum SQL deklarieren können, muss Ihr Lead ein gewisses Maß an Priorität erreicht haben. Dieses Maß ermitteln Sie anhand von Lead-Scoring-Modellen.
Das Lead Management ist in den meisten Unternehmen Sache des Marketings. Das ist nicht ideal. Gerade beim Lead Scoring müssen sich Vertrieb und Marketing abstimmen und gemeinsam definieren, ab welchem Schwellenwert ein Lead für die Übergabe an das Vertriebs-Team geeignet ist. Marketing und Sales Alignment ist dementsprechend eine wichtige Voraussetzung, um eine Nurturing-Kampagne zum Erfolg zu führen.
Wie Lead-Scoring-Modelle im Inbound Marketing funktionieren
Verhaltensbasierte Scoring-Modelle
Beim Lead Scoring weisen Sie jedem Ihrer Leads ein eigenes Scoring-Profil zu. Darin verzeichnen Sie jede Aktion, die dieser potenzielle Kunde bzw. Interessent im Zusammenhang mit Ihrem Content- und Lead-Nurturing-Angebot tätigt. Bewertet werden diese Aktionen anhand eines Punkteverfahrens.
Typische Parameter eines Lead-Scoring-Modells sind getätigte Downloads, geöffnete E-Mails sowie die Zahl von Website-Besuchen. Hierfür vergeben Sie einem Lead jeweils eigene Punktzahlen, mit denen Sie neben der eigentlichen Aktion auch deren Relevanz im Kaufentscheidungsprozess bewerten.
Dazu ein paar Beispiele:
- Leads, die zum ersten Mal ein Whitepaper heruntergeladen haben, erhalten von Ihnen einen Score von beispielsweise 10 Punkten. Lädt dieser Lead ein thematisch ähnliches Whitepaper herunter, erhöhen Sie diese Punktzahl auf 20 – schließlich ist dieser Lead in seinem Entscheidungsprozess vermutlich ein Stück vorangekommen.
- Leads, die eine Nurturing-Mail erhalten haben (dies funktioniert mit einer Marketing-Automation-Software automatisiert), erhalten von Ihnen ebenfalls stufenartig vergebene Punkte. Z. B. 5 Punkte für die erste geöffnete E-Mail, 10 Punkte für die Zweite – und so weiter.
- Leads, die eine Unterseite Ihrer Webseite öffnen, auf der Sie Ihr Angebot beschreiben, weisen Sie eine geringere Punktzahl zu (z. B. einen pro Seitenaufruf). Schließlich ist dieser Wert ein weniger starker Indikator als die beiden vorherigen.
- Umgekehrt können Sie Ihre Leads auch wieder nach unten scoren. Zum Beispiel, wenn ein Lead keine Reaktion auf eine E-Mail gezeigt hat oder die Person nach einer Weile kein Interesse mehr an Ihrem Angebot signalisiert.
- Denkbar ist es auch, das Scoring-Profil eines Leads nach Themen zu gliedern. Bieten Sie z. B. verschiedene Produkte an, ergibt es Sinn, das Verhalten Ihres Leads nicht als Ganzes zu betrachten, sondern seine Interaktionen produktbezogen zu bewerten. So können Sie das Scoring-Profil Ihres Leads noch weiter schärfen.
Profilbasierte Scoring-Modelle
Erfahrungsgemäß ist es ratsam, neben diesem interessenbezogenen bzw. verhaltensbasierten (behaviour-based) Punktesystem, das sich auf implizite Informationen fokussiert, noch ein Zweites zu entwickeln. In diesem versehen Sie einen Lead mit Punkten, die sein Unternehmen, dessen Branche und Herkunft sowie die Position Ihres Kontaktes in dieser Organisation berücksichtigen.
Im Zusammenhang mit profilbasierten Lead-Scoring-Modellen spricht man auch von „expliziten Informationen“. Damit stellen Sie sicher, dass der „Fit“, den Sie für Ihren Vertrieb anstreben, bei dem Lead auch wirklich gegeben ist.
Ein Beispiel:
Stellen Sie sich vor, Sie haben zwei Leads aus derselben Branche:
- Der eine davon ist Abteilungsleiter – ein begehrenswerter Ansprechpartner – und hat auf Ihrer Webseite bislang ein Whitepaper heruntergeladen.
- Der zweite ist Junior-Mitarbeiter – eine Person ohne wirkliche Entscheidungsbefugnis also – und klickt sich bereits seit einiger Zeit munter durch Ihre Webseite. Er hat gleich zwei Whitepaper heruntergeladen, öffnet fleißig Ihre Nurturing-Mails sowie Ihren Newsletter und stöbert darüber hinaus regelmäßig durch Ihren Blog und Ihre Produktseiten.
Sie merken, worauf wir hinaus möchten. Ignorieren Sie in Ihrem Scoring-System die Position Ihrer Ansprechpartner (ähnliche Beispiele gäbe es natürlich auch für deren Unternehmen und Branche), entsteht im schlimmsten Fall ein verzerrtes Bild von der Qualität Ihrer Leads.
In unserem Beispiel würde sich Ihr Vertrieb ohne zweites Scoring-System mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Junior-Mitarbeiter ohne Entscheidungsbefugnis konzentrieren. Stattdessen wäre der Abteilungsleiter der vielversprechendere, qualifiziertere Kontakt.
Die wenigsten Unternehmen führen Lead Scoring komplett manuell durch. Die meisten reduzieren den Aufwand, indem sie den Lead-Scoring-Prozess weitestgehend automatisieren. Ein Großteil der Marketing-Automation-Lösungen am Markt ist mittlerweile in der Lage, Interaktionen eines Leads automatisch mit Punkten zu versehen. Diesen Prozess einzurichten, kostet Sie in der Regel wenige Arbeitsschritte.
Die Vorteile des Lead Scorings
Beim Lead Scoring können Sie nicht nur einzelne Interaktionen eines Leads bewerten. Genauso können Sie berücksichtigen, welche Position Ihr Lead in seinem Unternehmen hat, inwiefern Ihr Angebot zu dessen Anforderungen passt – und wie weit fortgeschritten Ihr Lead in seinem Kaufentscheidungsprozess ist.
Daher ist Lead Scoring wesentlich präziser als vergleichbare Bewertungssysteme. Als Beispiel seien hier Follow-Up-Kampagnen genannt. Dabei berücksichtigen Unternehmen für Ihre Bewertung lediglich das E-Mail-Nutzerverhalten, welches jedoch kein sicherer Indikator für das Interesse eines Leads ist.
Die Präzision des Lead Scorings sorgt dafür, dass Sie die Verkaufsprozesse Ihres Vertriebs erleichtern und beschleunigen. Denn im Idealfall übergeben Sie nur solche Leads an den Sales, die in ihrem Kaufentscheidungsprozess bereits weit fortgeschritten sind. Das erleichtert es dem Vertrieb, Kontakte zu priorisieren.
In der Regel sind das weniger Leads, als dies vorher der Fall war – statt 70 sind es z. B. nur 10. Bei diesen 10 ist die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Abschlusses aber ungleich höher – zumal es Ihrem Vertrieb die Arbeit erleichtert, wenn er sich auf eine überschaubare Zahl an „Top-Leads“ konzentrieren kann. Das steigert die Effektivität vertrieblicher Prozesse, die Verkaufschancen – und früher oder später auch den Umsatz.
Ein weiterer Vorteil von Lead Scoring ist, dass das Verfahren weit weniger aufwendig ist, als sich dies viele vorstellen. Die meisten Marketing-Automation-Systeme bieten Ihnen die Möglichkeit, eine automatisierte Punktevergabe einzurichten. Anhand von Dashboards, Listen und anderen visuellen Darstellungen können Sie den Reifegrad Ihrer Leads mit Blick auf den Lead Score innerhalb weniger Augenblicke überprüfen.
Lead Scoring: Tipps für die Praxis
Ein Lead-Scoring-System zu entwickeln und zu implementieren, ist nicht trivial. Damit Ihnen diese Aufgaben gelingen, geben wir Ihnen zum Abschluss noch ein paar Tipps auf den Weg:
Tipp 1: Lead-Scoring-Modelle trennen
Ideal ist, wenn Sie Ihr verhaltensbasiertes und Ihr profilbasiertes Scoring-System getrennt voneinander implementieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass ein eigentlich weniger attraktiver Lead aufgrund der Vielzahl an Interaktionen zu hoch bewertet wird und Sie von einem sicher geglaubten Kaufabschluss ausgehen.
Eine solche Trennung ist allerdings nicht mit jeder Marketing-Automation-System möglich. Trifft das auf Ihre Software zu, sollten Sie nicht die Mühe scheuen, das zweite Scoring-System notfalls manuell zu steuern.
Tipp 2: Den Vertrieb an Bord holen
Welche Punkte Sie für Ihre Leads und deren Interaktionen vergeben, bleibt selbstverständlich Ihnen überlassen. Empfehlenswert ist jedoch, keinen „Marketing-Alleingang“ zu starten. Am besten ist, von Beginn an die Kolleginnen und Kollegen aus dem Vertrieb mit ins Boot zu holen. Das erleichtert die Abstimmung und senkt die Wahrscheinlichkeit, dass beide Abteilungen im Falle des Misserfolgs mit Schuldzuweisungen arbeiten.
Tipp 3: Komplexität vermeiden
Manchmal wollen Unternehmen im Lead Scoring zu viel auf einmal. Sie entwickeln komplexe, verschachtelte Scoring-Modelle, die schwierig umzusetzen sind und in der Praxis sehr viel Aufwand erzeugen. Sinnvoller ist, mit einem simplen Modell zu beginnen, das bei Bedarf weiter ausgebaut wird.
Tipp 4: Die Zeit im Auge behalten
Im B2B-Geschäft kann sich eine Kaufentscheidung über mehrere Monate ziehen. Dennoch sollten Sie bei der Bewertung darauf achten, in welchem Abstand Ihr Kontakt seine Interaktionen getätigt hat. Im Zweifelsfall sollten Sie sich mit dem Vertrieb darüber abstimmen, inwiefern ein Lead wirklich „heiß“ ist.
Tipp 5: Kunden-Insights generieren
Lead Scoring funktioniert am besten, wenn Sie das Verhalten Ihrer Zielgruppen während der Buyer’s Journey sehr präzise einschätzen können. Dafür müssen Sie mit Ihren Kunden sprechen. Wir von chain relations setzen in diesem Zusammenhang je nach Projekt auf Buyer-Persona- oder Jobs-to-be-Done-Analysen. Diese externe Sicht wird anschließend mithilfe einer Buying-Center-Analyse um intern verfügbare Informationen erweitert.
Tipp 6: Systeme verknüpfen
Je mehr Sie über Ihre Kunden wissen, desto erfolgreicher gestaltet sich Ihr Lead Management. Diese simple Faustregel erfordert, dass Sie Ihre Marketing- und Vertriebs-Systeme (CRM, Marketing-Automation-System, CRM etc.) miteinander verbinden. Auf diese Weise fällt es Ihren kundennahen Bereichen leichter, das Verhalten und den Reifegrad Ihrer Kunden mit Blick auf alle verfügbaren Informationen zu bewerten.
Tipp 7: Team abholen
Die Arbeit mit einem Lead-Scoring-Modell ist für viele Menschen neu und ungewohnt. Umso wichtiger ist, dass Sie Marketing und Vertrieb ausreichend auf den Wandel vorbereiten und bei der Umsetzung begleiten. Change Management ist auch hier ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Tipp 8: Lead-Scoring-Modell regelmäßig anpassen
Ihr Lead-Scoring-Modell sollte dynamisch sein. Bei jeder neuen Maßnahme, die Sie im Marketing umsetzen (z. B. ein neuer Baustein für Ihr Content Marketing), sollten Sie überprüfen, inwiefern sich diese auf die Ausgestaltung Ihres Lead Scorings auswirkt.
Fazit: Ein Lead Scoring Modell hilft, Kontakte richtig einzuordnen
Lead Scoring zählt zu den wesentlichen Bestandteilen im digitalen Lead-Management-Prozess. Richtig aufgesetzt (idealerweise in Ihrem Marketing-Automation-Tool), erhalten Sie damit ein Werkzeug für die Bewertung und Priorisierung Ihrer Leads, dessen Informationen weit über „normale“ Kundendaten hinausgehen. Dieser Service erleichtert Ihrem Sales-Team die Arbeit und erhöht die Effizienz Ihrer Sales-Prozesse beträchtlich.