Kunden und ihre Präferenzen in der Buyer’s Journey ändern sich permanent. Um darauf möglichst flexibel und effektiv reagieren zu können, müssen die Mauern zwischen Marketing und Vertrieb fallen. Das ist der Gedanke hinter Revenue Marketing und Revenue Operations (RevOps).
Revenue Marketing und RevOps
Revenue Marketing ist eine ganzheitliche, daten- und technologiebasierte Strategie, mit der Unternehmen die Grenzen zwischen Sales und Marketing aufbrechen.
Im Kern geht es darum, dass beide Bereiche gemeinsam Strategien, Programme und Kampagnen entwickeln, die den Umsatz des Unternehmens sowie den ROI aller Maßnahmen zur Kundengewinnung steigern sollen. Marketing-Ziele werden dabei stärker mit den wirtschaftlichen Zielen der Organisation verknüpft.
Operatives Herzstück des Ansatzes sind cross-funktionale Revenue-Operations-Teams. Diese sollen – parallel zur regulären Arbeit von Sales- und Marketingabteilung – durch gezielte, möglichst standardisierbare Maßnahmen Wachstum bzw. eine Umsatzsteigerung bewirken.
Je nach Unternehmen können auch weitere Abteilungen an der Revenue-Initiative beteiligt sein, etwa der Service oder der Support. In Software-as-a-Service-(SaaS)-Unternehmen ist zum Beispiel auch der Customer Success im RevOps-Team involviert.
Was steckt dahinter?
Strategien für die digitale Demand– und Lead-Generierung (sowie das Lead Management) weisen Vertrieb und Marketing klar getrennte Rollen zu:
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- Das Marketing verantwortet die Generierung der Leads (bzw. der Nachfrage) und entwickelt sie weiter, bis sie reif für die Übergabe an den Sales sind. Damit endet seine Rolle im Lead-Management-Prozess. Was mit den Leads geschieht, liegt allein in der Verantwortung der Vertriebsmitarbeitenden.
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- Der Vertrieb kommt erst dann ins Spiel, wenn ein Lead seine Entscheidungsbereitschaft (direkt oder indirekt) signalisiert. Was davor geschieht, können Sales Teams zwar anhand der Daten erkennen, die das Marketing zu dem Lead zusammenträgt. An der Entwicklung des Kontaktes in den frühen Phasen des Entscheidungsprozesses ist der Vertrieb jedoch nicht direkt beteiligt.
Diese klare Aufgabentrennung erweist sich gerade in B2B-Unternehmen immer mehr als kontraproduktiv und wenig effizient. Anbieter haben es beim Verkauf von komplexen Produkten/Services mit informierten Kunden zu tun, die ihre Entscheidungen ausführlich und selbstständig vorbereiten. Wir sprechen von Customer bzw. Buyer’s Journeys, in denen mehrere Monate vergehen, ohne dass ein direkter Kontakt zum Sales erfolgt.
In diesem Zeitraum müssen Marketing und Vertrieb ihre Anstrengungen bündeln, um die Entscheidungsvorbereitung potenzieller Kunden von Anfang bis Ende bestmöglich zu unterstützen. Das gilt nicht nur für Neukunden. Revenue Marketing fokussiert sich auch auf Up- und Cross-Selling-Chancen bei Bestandskunden sowie den Ausbau des Customer Lifetime Value vorantreiben.
Revenue Marketing ist bereits seit einigen Jahren in der Diskussion. Die US-amerikanische Unternehmensberaterin Debbie Qaqish verwendete den Begriff z. B. bereits 2013 in Ihrem Buch „The Rise of the Revenue Marketer“. Seitdem entwickelt sich das Konzept durch das Aufkommen neuer Technologien und strategischer Ansätze kontinuierlich weiter.
Welche Ziele verfolgt der Ansatz?
Revenue Marketing zielt darauf ab, Umsatzwachstum vorhersehbarer und somit wiederholbarer zu gestalten. Gemeinsam mit dem Sales definierte Strategien und Maßnahmen sollen
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- neue, kaufbereite Leads in den Sales-Trichter führen,
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- Bestandskunden unterstützen und weiterentwickeln,
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- Entscheider:innen auf allen Stufen der Buyer’s Journey (bzw. Customer Journey) unterstützen,
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- das Kundenerlebnis an jedem Touchpoint verbessern,
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- Maßnahmen systematisieren und
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- auf diese Weise eine Umsatz steigern.
Welche Elemente sind charakteristisch für Revenue Operations?
Revenue Marketing ist ein Ansatz, bei dem Marketing und Vertrieb eine individuelle Strategie für Demand Generation, Lead-Generierung, Lead-Management und Bestandskundenentwicklung definieren. Eine solche Strategie enthält typischerweise folgende Elemente:
Organisatorischer Rahmen
Unternehmen brechen die Grenzen zwischen Marketing und Vertrieb (sowie ggf. weiteren kundennahen Bereichen) auf. Als verbindendes Element schaffen sie ein Revenue-Operations-Team, in dem sich Mitglieder aus beiden Abteilungen über Strategien und Maßnahmen abstimmen. Im Gegensatz zum regulären Sales (Sales-Operations-Team bzw. SalesOps), der sich weiterhin auf Akquise und Vertrieb konzentriert, fokussiert sich das Revenue-Operations-Team stärker auf die Entwicklung potenzieller (Neu-)Kunden und die datenbasierte Optimierung von Maßnahmen.
Die meisten Unternehmen übergeben die Leitung ihrer RevOps an einen Chief Revenue Officer (CRO). Diese datenorientierte Führungskraft koordiniert und analysiert die fachübergreifenden Anstrengungen (in enger Abstimmung mit den Abteilungsleitungen), stellt Ressourcen für das Team bereit und berichtet an die Geschäftsführung.
Digitale Vernetzung
Durch die Verknüpfung von Marketing- und Vertriebs-Systemen (CMS, CRM, Marketing-Automation etc.) arbeiten beide Bereiche mit einem gemeinsamen Datenpool. Dieser enthält sämtliche verkaufsrelevanten Informationen, etwa zum Reifegrad von Leads, Aktionen mit Bestandskunden oder Erfolgsquoten der getätigten Maßnahmen.
Einheitliches Bild vom Kunden
Um ihre Anstrengungen an jedem Touchpoint zu Leads und Kunden möglichst effektiv zu bündeln, brauchen Marketing und Vertrieb ein detailliertes, einheitliches Verständnis von der Buyer’s Journey der wichtigsten Kundensegmente. Dieses Wissen wird klassischerweise vom Marketing generiert (z. B. via Buying-Center und/oder Jobs-to-be-Done-Analyse) und anschließend systematisch in den Vertrieb getragen. Denkbar ist auch, dass Revenue-Operations-Teams diese Aufgabe übernehmen.
Entscheidungsrelevanter Content
Revenue Marketing geht davon aus, dass die Umsatzziele eines Unternehmens mit der Qualität der Customer Experience zusammenhängen. Wesentlich für den Ansatz sind daher Content-Angebote, die potenziellen Kunden alle Fragen im Zusammenhang mit einem Produkt oder Service beantworten. Diese Inhalte müssen einerseits relevant, hilfreich und fachlich hochwertig sein. Andererseits gilt es, Entscheider:innen im Sinne von Sense Making zu helfen, alle verfügbaren Handlungsoptionen zu verstehen und zu evaluieren.
Gemeinsame KPIs
Sämtliche Aktionen, mit denen Revenue-Operations-Teams den Umsatz steigern wollen, werden anhand von umsatz- und kundenorientierten Kennzahlen überprüft. Das Ziel dieser Datenanalysen besteht darin, die Effektivität der Maßnahmen zu überwachen, diese kontinuierlich zu verbessern und so „wiederholbare“ Standards zu schaffen.
Wie entwickelt man eine Revenue-Marketing-Strategie, die zur Customer Journey?
Um eine kundenzentrische Strategie für Revenue Marketing zu entwickeln, müssen Sie sechs Fragen beantworten:
1. Was wollen Sie mit Ihrer Initiative erreichen?
Die Verknüpfung von Marketing und Sales Operations muss eindeutige Ziele verfolgen. Hierbei hilft die SMART-Methodik.
2. Worauf können Marketing & Sales aufbauen?
Sämtliche Touchpoints, mit denen Kunden in Berührung kommen, gehören auf den Prüfstein. Dazu zählen Ihre Webseite, aber auch Ihre Content-Angebote (digital & print) und Vertriebs-Präsentationen. Im Zentrum steht die Frage, welche Lücken sich aus Ihrem Status Quo ergeben und was sie für Ihre Revenue-Initiative wiederverwenden können.
3. Wie empfinden Ihre Kunden Stand jetzt die Buyer’s / Customer Journey?
Wer die Customer Experience verbessern will, muss dafür die Perspektive des Kunden einnehmen können. Das Revenue Operations Team muss genau verstehen, welche Herausforderung Entscheider:innen beschäftigen, wie die Entscheidungsprozesse ablaufen, welche Prioritäten Kunden dabei setzen und welche Alternativen sie haben. Dieses Verständnis entsteht, wenn Ihr Unternehmen den Kontakt zu Personen sucht, die direkt an der Entscheidung für oder gegen Ihr Angebot beteiligt gewesen sind. Bewährt hat sich eine Kombination aus Interviews und Online-Befragungen.
4. Welche Prozesse, Aufgaben und Verantwortlichkeiten ergeben sich aus Ihrer Initiative?
Revenue Marketing findet als strategischer Ansatz parallel zu den weiteren Aktivitäten in Sales & Marketing statt. Daher empfiehlt es sich, ein cross-funktionales Team zu bilden, das die Planung und Umsetzung der Initiative verantwortet und sich mit den anderen kundennahen Fachbereichen (z. B. Service oder Customer Success) austauscht.
5. Welche Maßnahmen braucht es, um das Kundenerlebnis zu verbessern?
Die bis hierhin gewonnenen Informationen sind das Fundament, auf dem Sie Maßnahmen für die Marktbearbeitung entwickeln. Ziel ist, das Kundenerlebnis an jedem Touchpoint zu maximieren und auf diese Weise den Umsatz zu steigern.
6. Welche Kennzahlen geben Aufschluss über den Erfolg Ihrer Aktionen?
Sind die ersten Inhalte Ihres Programms definiert, müssen Sie festlegen, anhand welcher Kennzahlen Sie die Effektivität Ihrer Anstrengungen bewerten. Idealerweise sind dies KPIs, die den Fortschritt eines Kunden im Entscheidungsprozess reflektieren.
Ratsam ist, bei der Planung und Umsetzung einer Revenue-Marketing-Strategie pragmatisch zu sein. Statt ein Programm monatelang bis ins kleinste Detail zu planen, sollten Sie lieber mit kleinen Schritten beginnen. Es handelt sich ohnehin um einen dynamischen Ansatz, den Sie anhand der gewonnenen Erfahrungen immer wieder anpassen. Zeigt sich zum Beispiel, dass Ihre Aktivitäten im Bereich Social Media keine guten Ergebnisse bringen, wird Ihr Team andere Kanäle probieren oder Bestehendes anpassen, um die Ziele zu erreichen.
Groß angelegte Planungsprojekte sind in diesem Kontext wenig zielführend.
Revenue Operations ist ein Kulturwandel für Marketing und Sales
Die Zusammenarbeit von cross-funktionalen RevOps-Teams erfordert von beiden Seiten eine neue Denkweise. Das zeigt sich am Beispiel Kennzahlen besonders deutlich. Hierbei geht es nicht mehr darum, Zahlen mit abteilungsspezifischen Aktivitäten zu verknüpfen. Wie viele Leads das Marketing generiert, ist wenig relevant. Entscheidend ist, welche Kanäle und Maßnahmen dazu beitragen, Kontakte zu erhalten, zu entwickeln, zu gewinnen und auszubauen.
Diese Sichtweise setzt einen Kulturwandel voraus. Marketing- und Vertriebsteam müssen begreifen, dass sie in einem Boot sitzen und gemeinsam verantwortlich sind, den Umsatz des Unternehmens zu steigern.
Hürden bei der Zusammenarbeit
Das sagt sich sehr leicht. In der Praxis stößt Marketing & Sales Alignment auf zwei große Herausforderungen:
· In den meisten Unternehmen besteht ein hierarchisches Ungleichgewicht zwischen beiden Bereichen. Während Vertriebsteams aufgrund ihres Kundenwissens und ihres direkt messbaren Beitrags zum Umsatz einen hohen Stellenwert genießen, wird das Marketing eher kritisch beäugt.
· Die Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb ist oft von Vorurteilen und Schuldzuweisungen geprägt. Zumal beide in der Regel nur koexistieren, aber selten bis gar nicht kooperieren. Prozesse miteinander zu verbinden, ist vor diesem Hintergrund schwierig.
Diese fehlende Balance müssen Sie schrittweise beseitigen, wenn Ihr Revenue-Operations-Team funktionieren soll. Daher ist es wichtig, dass Ihre Initiative den Rückhalt der Geschäftsführung genießt. Führungskräfte müssen dem Team nicht nur den Rücken freihalten, sondern das neue Mindset vorleben und darauf achten, dass es im Team gelebt wird.
Fazit: RevOps bringt Marketing- und Sales-Teams zusammen
Revenue Marketing ist ein strategischer Ansatz, mit dem Unternehmen ihre Anstrengungen im Rahmen der Neu- und Bestandskundenentwicklung bündeln. Es entstehen fachübergreifende Revenue Operations Teams, die anhand von Marketing- und Vertriebsdaten versuchen, kundenorientierte, umsatzsteigernde Maßnahmen auf allen Kanälen zu verbessern und zu systematisieren.
Die Idee hinter diesem Ansatz ist nicht revolutionär. Beispielsweise enthält sie Elemente des agilen Projektmanagements und des PDCA-(Plan, Do, Check, Act)-Zyklus. Vergleichbar ist Revenue Marketing darüber hinaus mit Strategien wie Customer-led Growth und Sales Enablement. Auch diese zielen darauf ab, Marketing- und Vertriebs-Aktivitäten enger zu verknüpfen und am Kunden auszurichten. Auf diese Weise entstehen die Voraussetzungen, um Strategien für die Neu- und Bestandskundenentwicklung flexibel an veränderliche Bedingungen anzupassen.