Thilo Specht hat einen lesenswerten Beitrag in Cluetrain PR darüber geschrieben, dass Social Media in B2B-Branchen als neuer Heilsbringer gesehen wird. Dabei weißt er zu Recht darauf hin, dass die meisten B2B-Marketer mit Social Media falsche Ziele verbinden. Er verweist auf die Studie „Social Media in der B2B Praxis“ der Agentur creative360, die ich sträflicherweise nicht hier vorgestellt habe (obwohl ich es Jens Stolze sogar versprochen hatte, shame-on-me). Demnach wollen sie die Markenbekanntheit stärken, SEO-Effekte und Social Media für die Öffentlichkeitsarbeit nutzen. Nur 58 % sehen Social-Media-Aktivitäten als Mittel zur Leadgenerierung, also zur Gewinnung neuer Kontakte zu potentiellen Kunden.
Das ist auch mir deutlich zu wenig. Ich spekuliere nun mal ein wenig, warum das so wenig sind:
- So wie Gewinne Ziel eines jeden Unternehmens ist, ist die Gewinnung neuer Kunden Ziel jedes Unternehmens. Es ist also so selbstverständlich für die B2B-Marketer, dass sie nicht explizit darauf hinweisen.
- Es ist ihnen peinlich, die Kundengewinnung voran zu stellen, da es so wenig „social“ klingt. Man will es also nicht so laut herumposaunen, dass man dem Beziehungspartner im Social-Web auch etwas verkaufen will.
- Die Marketer sind nicht vertriebsorientiert genug. Dass es ihre Aufgabe ist, für den Vertrieb Neukundenkontakte zu gewinnen, haben sie nicht realisiert. Sie wollen zwar allgemeine Kontakte (z. B. Besucher der Website über Suchmaschinenoptimierung), aber sie möchten keine Rolle im Vertriebsprozess spielen. Das ist dann Aufgabe der Vertriebler.
Das ist alles rein spekulativ, da ich keine Studienergebnisse dazu habe. Aber es erscheinen mir die logischen drei Möglichkeiten. Punkt 2 und 3 erscheinen mir dabei am wahrscheinlichsten. Notwendig ist daher meiner Meinung nach zweierlei:
1. Die Schnittstelle zwischen Marketing und Vertrieb muss exakt definiert werden. Wer ist für was verantwortlich bzw. wer kann was vom anderen erwarten.
2. Das Marketing muss seine Verantwortung für die Lead-Generierung annehmen.
Um das klar zu stellen: Neukundengewinnung sollte nicht der einzige Zweck sein. Natürlich geht es auch um Kundenbindung-/betreuung. Ansonsten könnte es schnell, wie die Amerikaner sagen würden, zu sehr „salesy“ werden. Denn die Vorteile des Angebots werden ja eher mitkommuniziert als vorangestellt. Zumal die Persönlichkeit des Unternehmens/des Repräsentanten und Offenheit für Dialog wichtige Erfolgskomponenten sind, wie Mathias Roskos in seinem Beitrag B2B mit einer Community? zeigt.
Welche Rolle spielt nun also Social Media im Entscheidungsprozess? Dieser durchläuft klassisch vier Phasen: Problemrealisierung, Informationssuche/Recherche, Bewertung und Vergleich sowie Bestellung/Kauf/Beauftragung. Spannend wird es zudem, wenn man noch die Epiphany-Phase hinzunimmt, die die Anregung durch Neues beschreibt.
Schauen wir uns ein Beispiel an. In all diesen Phasen kann Social Media unterstützen:
- Epiphany Phase
Ein Mitarbeiter eines Unternehmens ist Mitglied einer Community und lässt sich durch die Diskussion in einem Forum dazu anregen, einen potentiellen Bedarf zu erkennen. - Problemrealisierung
Er schaut sich den potentiellen Nutzen dieser Lösung an und erkennt, dass dieser Nutzen einem bestehenden Bedarf im Unternehmen entspricht. Er engagiert sich stärker im Forum und beteiligt sich aktiv n der Diskussion. Zugleich wird er zum Entscheidungsvorbereiter, nachdem er sich das offizielle Plazet seines Vorgesetzen geholt hat. - Informationsuche/Recherche
Er beginnt, nach einer möglichen Lösung zu fahnden. Er besucht die Websites der Mitdiskutanten, abonniert Blogs und folgt einigen Anbietern bei Twitter. - Bewertung und Vergleich
Der Entscheidungsvorbereiter startet eine eigene Diskussion, um die Höhe der Investitionen auf der Basis anderer Unternehmen zu bewerten und zu vergleichen. - Entscheidung
Sicherlich fällt auf, dass in allen Phasen nicht Social Media alleine ausreichen kann, um von einer Stufe im Entscheidungsprozess zum nächsten zu gelangen. Aber es unterstützt das. Und die Anbieter können dem Entscheidungsvorbereiter auf all diesen Stufen aktiv helfen und die Kommunikation beginnen. Spätestens ab der Bewertung muss er den direkten Kontakt zum Anbieter aufbauen, da er ansonsten im B2B selten an die Preise kommen wird.
Etwas anderes, was Social Media zum Erfolg verhelfen könnte: Es fehlt an Vorbildern. Wie das Handelsblatt kürzlich schrieb, gibt es keinen Vertreter eines großen Konzerns, die sich im sozialen Netz tummeln und bloggen oder twittern.