Jobs-to-be-Done (JTBD) ist eine analysebasierte Strategie, mit der B2B-Unternehmen Marketing, Vertrieb, Service und Produktentwicklung auf ihre Kunden zuschneiden. Die Idee dahinter ist, anhand von offen geführten Kundeninterviews und Umfragen zu identifizieren, welchen „Job to be Done“ Menschen bzw. Unternehmen mit dem Produkt oder der Dienstleistung eines Anbieters erledigen wollen. Dieses Wissen lässt sich systematisch für die Entwicklung kundenzentrischer Produkte, Prozesse und Verkaufsmaßnahmen nutzen.
Essenziell für das Verständnis von JTBD ist der Begriff „Job“. Er verdeutlicht, wie sich die Strategie von anderen Ansätzen aus dem Bereich Customer Centricity unterscheidet.
Was wollen Kunden wirklich erreichen?
In fast allen Unternehmen besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen Kundenwissen und Realität. Zwar glauben die meisten Fachkräfte in den kundennahen Bereichen, das Kaufverhalten ihrer Zielgruppen ausreichend zu verstehen und dazu passende Marktsegmente bilden zu können. Welche tieferliegenden Bedürfnisse Kunden in Wirklichkeit mit einem Produkt oder einer Dienstleistung befriedigen möchten, ist (wenn überhaupt) aber nur oberflächlich bekannt.
Jobs-to-be-Done zielt darauf ab, diese Wissenslücke zu schließen. Der Ansatz erhebt Daten bei den Kunden, generiert daraus strukturiert Insights über das Kaufverhalten und verbreitet diese in der Anbieterorganisation.
Jobs-to-be-Done: Fünf Customer Jobs im Überblick
JTBD wurde von Harvard-Professor Clayton M. Christensen entwickelt und von Marketing-Beratern wie Tony Ulwick, Chris Spiek und Bob Moesta spezifiziert. Die Jobs to be Done-Theorie geht davon aus, dass Unternehmen Produkte und Dienstleistungen „anheuern“ (im Englisch „to hire“) bzw. beauftragen, um damit eine bestimmte Aufgabe – einen Job – zu erledigen. Unterschieden wird dabei zwischen fünf solcher Jobs:
Core functional Job (funktionale Kernaufgabe):
- Der Core functional Job ist der Prozess, den der Kunde initiieren möchte, um sein Ziel zu erreichen. Diese Kernaufgabe ist grundsätzlich lösungsneutral, da Kunden Aufgaben oft auf mehrere Arten lösen können.
Nehmen wir an, die funktionale Kernaufgabe ist, einen zentralen Monatsreport schneller zu erstellen als bisher. Wichtig ist dabei, den Core functional Job nicht zu klein und nicht zu groß zu wählen. Stattdessen gilt es zu überprüfen, in welchem Gesamtkontext dieser Job zu erledigen ist, um die richtige Skalierung zu treffen.
Related Jobs (verwandte Aufgaben):
- Hierunter fallen alle zusätzlichen funktionalen Aufgaben, die der Kunde vor, während oder nach dem Core functional Job erledigen will. Häufig liegt in diesen verwandten Aufgaben die Differenzierung zu Wettbewerbern.
Zusätzlich zur Reporterstellung wären verwandte Aufgaben, diesen Bericht anschließend automatisch an Kolleg*innen zu versenden, das Dokument automatisch zu signieren und abzulegen oder nach fünf Jahren rechtssicher zu löschen.
Emotional Job (emotionale und soziale Aufgaben):
- Entscheider*innen wollen mit dem Core functional Job bestimmte Emotionen wecken, z. B. positiv von anderen wahrgenommen werden oder die Atmosphäre im Team verbessern. Diese Komponente ist mit Blick auf die Formulierung von Wertversprechen nicht zu unterschätzen.
Im Falle unseres Jobs der Reporterstellung will der verantwortliche Manager auch Feedback von Kolleg*innen bekommen, wie ihnen der Report bei ihren Aufgaben hilft und ihnen die Arbeit erleichtert. Dies unterstützt das Tool, indem die Empfänger*innen leicht ihre Zufriedenheit über farbige Smilies abgeben können.
Consumption chain Jobs (zusätzliche Jobs im Produktlebenszyklus):
- Bei komplexen B2B-Produkten und -Dienstleistungen sind Kunden auf den Support des Anbieters angewiesen (Installation, Wartung, Reparaturen, Updates etc.). Diese Leistungen haben großen Einfluss auf die Zufriedenheit des Kunden.
Über die Zeit könnten weitere Quellen für die Reporterstellung hinzukommen. Sollte ein Anbieter also automatisch über diese Erweiterungsmöglichkeiten berichten und der Reportersteller sich nicht darum kümmern müssen, so erledigt er einen zukünftigen Job während der Nutzung.
Purchase Decision Job (Job der Kaufentscheidung):
- Diese Aufgabe betrifft vor allem Einkauf und Geschäftsführung. Diese verfolgen bei der Entscheidungsfindung stets auch finanzielle Interessen, die sich u. a. in Finanz- und Leistungskennzahlen widerspiegeln.
Schließlich gibt es das Tool für die Reporterstellung als Abonnement (Software-as-a-Service). Der Cashflow des Kunden wird also geschont.
Jobs-to-be-Done unterscheidet darüber hinaus drei Käufertypen, die insbesondere Marketing und Sales bei der Strategieentwicklung berücksichtigen sollten. Der Job Executor ist die Person (bzw. die Gruppe), die das Produkt/die Dienstleistung für den Core functional Job einsetzt. Zum Product Lifecycle Support Team zählen die Menschen im Kundenunternehmen, die das Produkt während dessen Lebenszeit betreuen (z. B. IT, Mechaniker*innen). Der Buyer wiederum ist die Person, die am Ende die finanzielle Entscheidung treffen muss.
Wann ist ein Job to be Done funktional erledigt?
Ein Job ist bei JTBD keine einfache Arbeitsaufgabe. Der Begriff ist hier laut Clayton Christensen eher als Prozess zu verstehen, mit dem der Kunde in seiner individuellen Situation ein bestimmtes Ergebnis erzielen will. Der „Job“ ist in diesem Sinne ein Fortschritt, der zu einem gewünschten Endresultat führen soll.
Dieses finale Ergebnis kann auf verschiedene Arten entstehen, beispielsweise durch die Erfüllung einer extrinsischen Aufgabe (z. B. einen Arbeitsablauf optimieren), die Befriedigung eines intrinsischen Bedürfnisses (z. B. individuelle Arbeitslast reduzieren) oder etwas Abstraktes (z. B. Zusammenarbeit im Team verbessern). Entscheidend ist, dass es sich nicht um Teilaufgaben handelt. Ein Job ist erst dann erledigt, wenn der Kunde sein Ziel erreicht hat.
Direkte und indirekte Ziele
Mithilfe eines Jobs wollen Unternehmen direkte und indirekte Ziele erreichen. Zu den direkten Zielen tragen in erster Linie Core functional Job und Related Jobs bei. Häufig handelt es sich dabei um offensichtliche Ziele, die Anbieter relativ schnell identifizieren können. Für Business-to-Business-Produkten und -Dienstleistungen mit komplexen Entscheidungsprozessen ist dies jedoch selten so einfach. Um hier einen Wettbewerbsvorteil oder einen Vorsprung in der Kommunikation zu erzielen, muss diese Analyse möglichst genau erfolgen, insbesondere für die verwandten Aufgaben.
Komplizierter verhält es sich mit den indirekten Zielen. Hierzu zählen häufig Aspekte, die Marketing, Vertrieb, Service und Produktentwicklung gänzlich unbekannt sind, z. B. soziale Kriterien oder andere Anforderungen, die über den rein funktionalen Nutzen hinausgehen. Diese werden bei Jobs-to-be-Done anhand von Interviews mit Entscheider*innen in Kundenunternehmen sowie Online-Umfragen ans Licht gebracht.
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Was macht die JTBD-Theorie anders?
Der Grundgedanke hinter Jobs-to-be-Done ist nicht neu. Erfolgreichen Unternehmen gelingt es schon lange, auf Basis eines besseren Verständnisses ihrer Zielgruppe Wettbewerbsvorteile zu generieren.
Dieses Verständnis ist jedoch in erster Linie intuitiv oder faktenbasiert. Bewährte Methoden und Analyse-Tools liefern statische Informationen über eine Zielgruppe (Unternehmensgröße, Branche, Umsatz etc.) und deren Verhalten (Anfragen, Gespräche, Aufträge etc.). Diese Informationen sind in vielen Szenarien hilfreich, tragen aber kaum dazu bei, tiefere Zusammenhänge aufzudecken.
Im Gegensatz dazu konzentriert sich Jobs-to-be-Done nicht darauf, was ein Kundenunternehmen macht, sondern warum es dies tut. Diese Perspektive hilft nicht nur dabei, Kundenbedürfnisse besser zu verstehen. Sie eröffnet auch eine neue Dimension der Marktsegmentierung. Statt hierbei auf demografische, statistische oder Verhaltensdaten zu achten, werden Kunden anhand ihrer primären Motivation kategorisiert – dem Job, den sie mithilfe des Angebotes erledigen wollen. Dieser ist zumeist zeitlich konsistent, denn grundlegende Bedürfnisse ändern Kunden nur selten.
JTBD zeigt neue Perspektiven über Kundenbedürfnisse
Der entscheidende Vorteil dieser Art der Segmentierung sind die neuen Sichtweisen, die sich eröffnen. Beispielsweise können sich innerhalb eines Segmentes Unternehmen befinden, die auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten aufweisen, während Organisationen mit vergleichbaren Firmendaten unterschiedlichen Gruppen zugewiesen werden.
Der Grund dafür ist, dass ein Job nicht immer von Kriterien wie Unternehmensgröße, Branche oder Regionalität beeinflusst wird. Oft sind es Aufgaben, die für KMU die gleichen Anforderungen mitbringen wie für weltweit tätige Konzerne. Bei der Ansprache dieser Organisationen braucht es folglich die gleichen Argumente und Begriffe, um potenzielle Kunden „abzuholen“ und Vertrauen aufzubauen.
Am ehesten ist JTBD mit dem Buyer-Persona-Ansatz nach Adele Revella vergleichbar. Beide Ansätze wollen die Kundenperspektive anhand von Interviews mit Entscheider*innen nachvollziehen. Sie fokussieren sich daher auf Prozesse, Ziele und Motivationen, die Aufschluss über die Entscheidung geben. Der wesentliche Unterschied liegt im Detail: Gegenstand einer Buyer Persona ist der Entscheidungsprozess auf Kundenseite. Unternehmen arbeiten damit heraus, warum Kunden eine Entscheidung getroffen haben und wie sie dabei vorgegangen sind. JTBD will hingegen die tieferliegenden Motivationen des Kunden herausfiltern. Im Mittelpunkt steht nicht der Prozess, sondern die Herausforderung, für die der Kunde eine Lösung benötigt. Dies führt nach unserer Erfahrung zu einem besseren strukturellen Verständnis des Entscheidungsprozesses.
Fazit
Jobs-to-be-Done ist ein strategisches Werkzeug, mit dem Unternehmen das Fundament für ein kundenbasiertes Wachstum (Customer-led Growth) legen können. Charakteristisch für den Ansatz ist die Perspektive auf die Aufgaben, die Kunden mithilfe eines Produktes oder einer Dienstleistung erledigen wollen. Dieser Job, der im JTBD-Framework systematisch identifiziert und analysiert wird, dient folglich als Fixpunkt, an dem sich Marketing, Vertrieb, Service und Produktentwicklung ausrichten können.