Angebote und Ansprache sind nicht bei allen Kundengruppen gleich effektiv. Dafür müssen sie möglichst gut zu deren Anforderungen passen. Dies gelingt Anbietern mit einer sinnvollen Kundensegmentierung. Wie das im Business-to-Business-Bereich funktioniert und wie sich Unternehmen mithilfe ihres Marketings von gängigen Standards abgrenzen, schauen wir uns in diesem Beitrag an.
Was versteht man unter Kundensegmentierung?
Kundensegmentierung ist ein strategischer Prozess, bei dem Unternehmen ihre Kunden mit Blick auf kaufrelevante Merkmale analysieren und in Segmente teilen. Ein solches Segment besteht im B2B aus Geschäftskunden, die sich durch vorab definierte Kriterien von anderen Kundengruppen abgrenzen. Ziel ist, Produkte, Dienstleistungen, Kommunikation und Prozesse auf die Anforderungen der definierten Gruppen zuzuschneiden.
Im Gegensatz zur Marktsegmentierung, die sich auch auf potenzielle und ehemalige Kundenunternehmen bezieht, geht es bei der Kundensegmentierung ausschließlich um Bestandskunden.
Allerdings bauen beide Instrumente aufeinander auf. Bevor Anbieter ihre Kunden gruppieren, sollten sie zunächst ihren Markt definieren und begrenzen. Anschließend können sie die einzelnen Kundensegmente bilden.
Wie funktioniert das?
Unternehmen, die ihre Kunden in homogene Gruppen einteilen wollen, müssen vier konzeptionelle Hauptschritten absolvieren:
- Markt, Zielgruppe (-> welcher Teil der Kundschaft wird segmentiert?) und Ziele der Segmentierung definieren.
- Merkmale für die Segmentierung festlegen.
- Daten sammeln.
- Kundensegmente beschreiben.
Sobald die Segmente beschrieben sind, können Unternehmen überlegen, wie sie die gewonnenen Erkenntnisse nutzen. Mehrwert bieten sie nicht nur für Marketing und Vertrieb, sondern z. B. auch für die Produktentwicklung, den Service und die Geschäftsführung.
Vorteile der Kundensegmentierung
Kundensegmentierung ist ein wichtiges Hilfsmittel für Unternehmen, die wiederkehrenden Umsatz mit Kunden generieren. Die Analyse und Einteilung des Kundenstamms ergeben aber grundsätzlich auch in anderen Szenarien Sinn. Zum Beispiel, wenn Anbieter die Zielgruppe für neue Produkte und Services ermitteln oder ihr Online Marketing neu aufstellen. Auch in solchen Fällen bringt die Segmentierung von Kunden einige Vorteile. Die wichtigsten sind:
- Customer Centricity: Anbieter lernen die eigenen Kunden besser kennen. Das hilft ihnen, Marketing- und Vertriebsmaßnahmen, aber auch Preise und Services bedarfs- sowie kundenorientiert zu gestalten.
- Loyalere Kunden: Passen Ansprache und Prozesse zu den Bedürfnissen der Entscheider:innen, erhöht das die Chance für einen erfolgreichen Geschäftsabschluss. Dazu erhöht sich dadurch die Loyalität der Kunden.
- Mehr Effizienz: Marketing und Vertrieb können sich bei ihren Maßnahmen auf Zielgruppen mit ähnlichen Merkmalen, Anforderungen und Wünschen konzentrieren. Streuverluste werden deutlich reduziert.
- Bessere Produkte und Dienstleistungen: Firmen können Angebote auf die Bedürfnisse wichtiger Kundengruppen zuschneiden.
Welche Merkmale sind für die Segmentierung sinnvoll?
Beim Segmentieren geht es darum, die richtigen Fragen zu stellen. Typischerweise konzentrieren sich Firmen auf Kriterien, die sich in vier Kategorien teilen lassen:
- Demografisch (Allgemeine Informationen wie Unternehmensgröße, aber auch persönliche Merkmale der Entscheider:innen wie Geschlecht, Alter, Position)
- Regional (Unternehmenssitz etc.)
- Psychografisch (Ziele, Werte, Einstellungen etc. der Entscheider:innen)
- Verhaltensorientiert (Preissensibilität, Beschaffungspolitik, Kriterien für den Kauf, Einkaufszyklen etc.)
Darüber hinaus unterscheidet man zwischen ein- und mehrdimensionaler Kundensegmentierung. Die erste Variante ermöglicht einen schnellen, aber eher oberflächlichen Überblick zum Kundenstamm. Die zweite erzeugt ein komplexes Bild der Kundenstruktur, das sich für viele Unternehmensbereiche nutzen lässt.
- Eindimensionale Kundensegmentierung bildet keine komplett homogenen Gruppen. Firmen können sich in vielen anderen Bereichen deutlich von anderen unterscheiden. Typische Instrumente sind ABC-Analysen (Einteilung in wichtige und weniger wichtige Kunden) sowie Untersuchungen, die sich auf Aspekte wie Verwendungsintensität, Kaufhäufigkeit oder Kaufvolumen je Kaufakt konzentrieren.
- Mehrdimensionale Kundensegmentierung nutzt mehr Kundendaten und Kriterien. Jedes Kundensegment ist dadurch homogener und von anderen klarer unterscheidbar. Typische Werkzeuge sind Faktorenanalysen, multidimensionale Skalierung, neuronale Netze, Kontrastgruppen- oder Conjoint Analyse.
Kundensegmentierung im B2B und B2C
In B2B-Branchen funktioniert die Bildung von Kundensegmenten anders als im B2C. Soziodemografische, geografische oder psychografische Informationen stehen bei der Gruppierung von Privatkunden stärker im Fokus. Das Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten kann zwar ebenfalls eine Rolle spielen (z. B. Mediennutzung, Markenpräferenz. Preisorientierung). Es wird aber seltener betrachtet als die anderen Faktoren.
Die Cluster, die wir im B2B bilden, sind in aller Regel kleiner als im B2C. Daher können wir uns mehr auf das Kaufverhalten der Geschäftskunden fokussieren. Gegenstand der Betrachtung können dazu auch umwelt- oder organisationsbezogene Kriterien sein. Demografische Merkmale spielen hingegen kaum eine Rolle.
Unterschiedliche Kundensegmente beschreiben
Unabhängig von den Kriterien für die Einteilung ist es wichtig, die definierten Segmente zu beschreiben. Hierfür gibt es eine Reihe von Modellen, die in Frage kommen. B2C-Anbieter setzen meist auf Methoden, die Merkmale und Eigenschaften fiktiver Personen definieren. Dazu zählen Personas, aber auch das DiSG-Modell (dominant, initiativ, stetig, gewissenhaft), das Semiometrie-Modell von TNS Infratest sowie die Limbic-Map nach Hans-Georg Häusel. Diese Instrumente sind vor allem an der Psychografie der Kunden interessiert.
Personas in B2B und B2C
Im B2C handelt es sich bei Personas um eine Beschreibung fiktiver Personen, denen Eigenschaften wie Ziele, Alter, Familienstand, Einkommen oder Hobbys zugeschrieben werden. Insbesondere Software- und Software-as-a-Service-Anbieter setzen darüber hinaus auf User Personas, die Merkmale typischer Nutzer:innen beschreiben. B2B-Anbieter benötigen hingegen interviewbasierte Buyer Personas, die Auskunft über das Entscheidungsverhalten von Kundentypen geben.
Für B2B-Anbieter sind diese Methoden nur bedingt geeignet. Der Hauptgrund ist, dass bei der Bewertung einer B2B-Lösung fast immer mehr als eine Person entscheidet. Geschäftskunden gründen Buying Center, in denen sechs, sieben oder mehr Fachkräfte gemeinsam nach einer Lösung suchen. Damit verbunden sind professionelle Einkaufsprozesse mit klaren Strukturen und Verantwortlichkeiten. Anbieter müssen daher verstehen, wie dieses Gremium beim Entscheiden vorgeht.
Kundensegmente, Marketing und Vertrieb
Erfolgreiche Kundensegmentierung im B2B setzt eine geeignete Datenqualität voraus. Daran hapert es in vielen Unternehmen. Auch deswegen erfolgt die Einteilung der Kunden meist anhand oberflächlicher demografischer und regionaler Kriterien. Den Möglichkeiten, die sich insbesondere durch die Analyse der einzelnen Kundengruppen ergeben, wird dieses Vorgehen nicht gerecht.
Unsere Agentur setzt bei der Segmentierung stattdessen auf einen Ansatz, der neue Perspektiven auf Märkte und Kunden eröffnet: Das Jobs-to-be-Done-Framework (JTBD). JTBD ist eine Analysemethode aus dem Bereich der qualitativen Marktforschung, die vor allem im Marketing genutzt wird. Anbieter finden damit heraus, welchen Fortschritt Geschäftskunden in ihrer speziellen Situation (Organisation, Branche, Personal, Ressourcen etc.) mit der Lösung des Anbieters erreichen wollen und wie sie sich in ihrer Customer Journey verhalten.
Die Daten, die wir für die Analyse benötigen, erhalten wir bei Jobs-to-be-Done auf zwei Wegen:
- Zum einen befragen wir Personen, die sich idealerweise vor drei bis sechs Monaten für das Angebot des Anbieters entschieden haben. Dazu eignen sich offene bzw. narrative Interviews, in denen die Befragten die Geschichte ihrer Buyer’s Journey erzählen. Von der Problemdefinition über die Lösungssuche bis hin zum Kauf und der Nutzung.
- Zum anderen nutzen wir Online-Fragebögen, in denen von der gleichen Personengruppe die Antworten in Freifeldern eingetragen werden. Durch diese Umfragen ergibt sich ein quantitativer Eindruck von den in den Interviews erkannten Insights.
Die Anworten der Kunden werden analysiert und nach Mustern untersucht. Daraus entstehen präzise Beschreibungen der wichtigsten Kundengruppen, die wir mit Blick auf ihren Job kategorisieren. Anbieter erfahren unter anderem:
- Welchen Fortschritt ihre Kunden erreichen wollen.
- Unter welchen Umständen deren Bemühungen stattfinden.
- Welche Hindernisse dem Fortschritt im Weg stehen.
- Welches Kompensationsverhalten typisch ist.
- Was Kunden von der Kommunikation im Entscheidungsprozess und von einer besseren Lösung erwarten.
Segmentierung via Jobs-to-be-Done
Aus der Analyse der Interviews und Fragebögen wird abgeleitet, wie die Kundenansprache für jeden Job ausgestaltet sein muss. Das ist aber nicht alles. JTBD hilft außerdem, sich bei der Segmentierung an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten. Das bringt mehrere Vorteile:
- Zeitliche Konsistenz: Jobs tendieren dazu, mehrere Jahre oder Jahrzehnte zu bestehen. Die Lösung kann variieren, das Bedürfnis bleibt gleich.
- Neue Perspektiven: JTBD erleichtert es, Konkurrenten einzuordnen. Oft stoßen Anbieter dabei auf Wettbewerber, die sie noch nicht auf dem Schirm hatten. Netflix etwa konkurriert nicht nur mit Streaming-Anbietern, sondern muss sich gegen jede Lösung für eine entspannte Abendunterhaltung durchsetzen.
- Sinnvolle Segmente: Die Gruppen, in die wir Kunden bei JTBD einteilen, weichen von traditionellen Modellen und Vorstellungen ab. Firmografisch gleichartige Unternehmen werden z. B. häufig verschiedenen Segmenten zugeordnet, da sie unterschiedliche Ziele mit dem Produkteinsatz verbinden. Firmen, die sich scheinbar überhaupt nicht ähneln, werden umgekehrt häufig zusammen gruppiert. Ein Produkt kann in einem KMU z. B. durchaus den gleichen Job wie ein Industriekonzern erledigen.
Mit Jobs to-be-Done entsteht eine Marktsegmentierung, die sich von traditionellen Ansätzen deutlich abhebt. Im Mittelpunkt stehen nicht demografische oder statistische Merkmale, sondern der Job der Kunden.
Operativ wird es viel leichter, die Wünsche der Kunden in die Kommunikation einzubeziehen. Es wird klar, was die Entscheider:innen oder die Anwender:innen an welcher Stelle der Customer Journey hören wollen. Das erleichtert die Ausrichtung der Kundenansprache sowie die Planung und Entwicklung neuer Angebote.
Buyer Personas vs Jobs-to-be-Done
Markt- und Kundensegmentierung ist prinzipiell auch auf Basis einer Buyer-Persona-Analyse möglich. Der Unterschied zwischen Buyer Personas und JTBD betrifft den Fokus der Analyse. Buyer Personas untersuchen den Kaufentscheidungsprozess. Sie erfahren damit, wie Kundentypen sich in der Buyer’s Journey verhalten (und warum). Jobs-to-be-Done tut das zwar auch, geht aber stärker auf die tiefergehenden Motivationen ein und betrachtet zudem die gesamte Customer Journey. Sie lernen, was Ihre Zielgruppe wirklich will und was diese Firmen von einem Anbieter wie Ihnen sowie von Ihren Produkten und Dienstleistungen erwarten.
Kundensegmentierung kurzgefasst
Halten wir noch einmal fest:
- Kundensegmentierung ist ein Prozess, bei dem Unternehmen ihre Bestandskunden anhand kaufrelevanter Merkmale in homogene Segmente einteilen. Ehemalige und potenzielle Kunden werden dabei im Gegensatz zur Marktsegmentierung nicht betrachtet.
- Ziel der Kundensegmentierung ist, Angebote und Kommunikation auf sinnvolle Segmente zuzuschneiden. Als Werkzeug hilft sie nicht nur Vertrieb und Marketing, sondern auch der Geschäftsführung, dem Controlling, der Produktentwicklung sowie dem Service.
- Merkmale, nach denen Anbietern Segmente ausrichten, sind meist demografischer, geografischer oder psychografischer Natur. Da Verhaltensdaten schwerer zu generieren und auszuwerten sind, werden sie häufig vernachlässigt.
- Teil der Kundensegmentierung ist eine Beschreibung der definierten Kundengruppen. Am besten eignet sich dafür das Jobs-to-be-Done-Framework. Es liefert einen strukturierten Prozess für die Analyse von Kundenanforderungen und setzt dabei auf Interviews und Befragungen. Die Ergebnisse gewähren neue Einsichten für die Segmentierung, die sich von den Vorstellungen der Konkurrenz meist stark unterscheidet.