B2B-Kunden verlangen eine möglichst individuelle, einfache Customer Experience. Diesen Anspruch kann der Vertrieb häufig nicht zufriedenstellend erfüllen, zum Beispiel, weil ihm Ressourcen, Kundenwissen, methodisches Know-how oder Software-Tools fehlen. An dieser Stelle setzt Sales Enablement an.
Was ist Sales Enablement?
Eine allgemeingültige Definition von Sales Enablement gibt es nicht. Stattdessen finden sich insbesondere online viele Erläuterungen, die teilweise zu stark auf Aspekte wie Software-Unterstützung, die Bereitstellung von Prozessen und Inhalten oder das Training und Onboarding neuer Mitarbeiter*innen eingehen.
Diese eingeschränkte Perspektive hängt in der Regel mit den Intentionen der Autor*innen zusammen, darunter Sales-Coaches, Anbieter von Sales-Enablement-Software und Agenturen. Den Möglichkeiten von Sales Enablement wird sie allerdings nicht gerecht.
Eine gute Definition stammt von CSO Insights, einem Analysten-Unternehmen für Sales:
„A strategic, cross-functional discipline designed to increase sales results and productivity by providing integrated content, training and coaching processes for sales people and frontline sales managers along the entire customer’s journey, powered by technology.“
Noch besser gelingt Pam Didner eine Definition in ihrem Buch Effective Sales Enablement:
„Deliver a positive customer experience by equipping sales with knowledge, skills, processes and tools through cross-functional collaboration in order to increase sales velocity, sales retention, and productivity.“
Das Beratungsunternehmen Gartner wiederum beschreibt den Begriff wie folgt:
„Sales enablement is the process of providing the sales organization with the information, content and tools that help salespeople sell more effectively.“
Die drei Definitionen verdeutlichen: Sales Enablement ist ein strategischer Ansatz, der dem Vertrieb alle Hilfsmittel (Technologie, Inhalte, Training etc.) an die Hand gibt, um die Customer Experience der Kunden zu verbessern und infolgedessen die Kundenbindung und den Umsatz zu steigern. Es handelt sich um eine cross-funktionale Methodik, bei der Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichen Fachbereichen eng mit den Verkäufer*innen zusammenarbeiten, um die Lücke zwischen Marketing und Vertrieb zu schließen.
Woher stammt das Konzept?
Der Ansatz, dem Vertrieb so viele Werkzeuge und Ressourcen wie möglich für die Kundenbearbeitung zur Verfügung zu stellen, ist nicht neu. Roderick Jefferson beschreibt die Entwicklung des Vorgehens in seinem Buch „Sales Enablement 3.0“ anhand von drei Stufen:
Sales Enablement 1.0:
Die ersten Schritte zur Systematisierung vertrieblicher Strategien (inklusive erster Trainingsansätze) erfolgten ab den 1930er-Jahren in den USA. Hierbei ging es vor allem darum, den Return-on-Investment (ROI) einer einmaligen Investition zu verdeutlichen. Die Bearbeitung von Bestandskunden stand noch nicht im Fokus.
Sales Enablement 2.0:
Seit den 1990er Jahre kommen im Sales immer stärker Technologien zum Einsatz, um den Verkaufsprozess zu unterstützen, z. B. Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM), PowerPoint und Excel bis hin zu Big-Data-Analysen. Der Sales wurde dadurch wissenschaftlicher und konzentrierte sich vor allem auf Zahlen und Metriken. Viele Unternehmen befinden sich noch heute in dieser Phase.
Sales Enablement 3.0:
In den vergangenen fünf Jahren hat sich der Fokus von Zahlen und strukturiertem Sales-Vorgehen hin zu einer Orientierung an der Buyer’s Journey bzw. dem Entscheidungsprozess verschoben. Kunden und Interessenten können auf eine Vielzahl von Inhalten zugreifen und weitgehend ohne Vertriebsunterstützung entscheiden. Was sie brauchen, ist eine Orientierung in dieser Informationsflut, so dass sie effektiv und effizient zur besten Entscheidung kommen. Dieser Anspruch an Sales Enablement entspricht dem, was Gartner als „Buyer Enablement“ oder „Sensemaking“ bezeichnet.
Welche Elemente beinhaltet Sales Enablement?
Sales Enablement beruht auf dem Glauben, dass der Vertrieb seine Kernaufgaben im Verkaufszyklus durch skalierbare, wiederholbare Praktiken effektiver durchführen kann. Diese Praktiken sollen Verkäufer*innen helfen, Leads effektiver durch deren Buyer’s Journey zu leiten.
Sales Enablement besteht im Wesentlichen aus vier Bausteinen:
- Hochwertiger Sales-Content, der auf die Anforderungen und Fragen des Buying Centers zugeschnitten ist (Whitepaper, Präsentationen, Case Studies etc.)
- Effektive Trainings- und Onboarding-Prozesse, die dem Sales-Team alle notwendigen Qualifikationen vermitteln
- Tragfähige informatorische Basis in Form von Best Practices und Customer Insights
- Hilfreiche Software-Tools
Hochwertiger Sales-Content
Sales Enablement versorgt Verkäufer*innen mit allen Vertriebsinhalten, die sie brauchen, um die Entscheidungsfindung der Kunden zu unterstützen. Typisch sind u. a. Whitepaper, Präsentationen, Produktbeschreibungen oder Case Studies, aber auch E-Mail-Templates und Produktdemonstrationen.
Damit Content beim Kunden die gewünschte Wirkung erzielt, muss er mehrere Voraussetzungen erfüllen:
- In seiner Gesamtheit muss Ihr Content jede Phase der Customer Journey bedienen und alle Fragen beantworten, die sich Kunden während ihrer Learning Journey stellen.
- Die Inhalte müssen sich fachlich und begrifflich auf dem Niveau der Entscheider*innen bewegen.
- Ihr Content muss über gängige inhaltliche Standards hinausgehen und neue Ansichten präsentieren, die im Gedächtnis bleiben.
- Die Mitglieder eines Buying Centers müssen oft mehrere Lösungswege vergleichen. Guter Content hilft dabei, Alternativen inhaltlich einzuordnen, zu vergleichen und schneller zu einer Entscheidung zu kommen.
Welche Content-Elemente für Ihr Sales-Enablement-Programm relevant sind, ergibt sich im Rahmen der Strategieentwicklung. Auf welchem Fundament Sie hierbei aufbauen können, finden Sie mit einem Content Audit heraus, bei dem Sie alle intern zur Verfügung stehenden Inhalte auflisten, kategorisieren und bewerten. Anhand dieser Bestandsaufnahme identifizieren Sie die Lücken, die auf inhaltlicher Seite noch zu füllen sind.
Weiterbildung und Onboarding
Eine Sales-Enablement-Strategie schließt an kundenzentrierte Ansätze wie Inbound Marketing, Customer-led Growth und Demand Generation an. Sales-Teams begegnen daher in der Regel viele neue Methoden und Tools, die den Mitarbeiter*innen im Rahmen von Schulungen, Trainings und Coachings zunächst vermittelt werden müssen.
Sales Enablement will kontinuierliches Lernen bewirken. Weiterbildungsmaßnahmen sollen die Vertriebsabteilung einerseits von Beginn an aktiv in den Veränderungsprozess einbinden und Technologien sowie neue Inhalte erläutern. Andererseits geht es darum, die Verkäufer*innen auch nach den initialen Schritten zu begleiten, Schulungsinhalte auf Abruf bereit zu halten und Anreize zu schaffen, entsprechende Angebote regelmäßig wahrzunehmen (z. B. durch Belohnungen oder Gamification). Ziel ist ein „lernender“ Vertrieb, der neue Methoden und Trends jederzeit effizient adaptieren kann.
Wesentlicher Bestandteil von Sales Enablement sind darüber hinaus effektive, standardisierte Onboarding-Prozesse. Neue Mitarbeiter*innen sollen möglichst schnell alle Wissensgrundlagen erhalten, z. B. über Verkaufsstrategien, Botschaften und die Perspektive der Kunden oder den Umgang mit Tools. Zugleich benötigen sie die Möglichkeit, sich im Unternehmen zu vernetzen. Für diese Ziele müssen Sales und HR gemeinsam geeignete Prozesse definieren.
Tragfähige informatorische Basis
Häufig sind Sales-Teams vom Geschick, dem Branchenwissen und Netzwerk weniger Spitzen-Verkäufer*innen abhängig, die für einen Großteil der Abschlüsse verantwortlich sind. Sales Enablement will diese Abhängigkeit reduzieren. Anhand standardisierter Methoden und Argumentationshilfen (z. B. Customer Reference Calls, Competitive-Intelligence-Analysen), die sich an Best Practices und strukturiert gewonnenem Kundenwissen orientieren, soll jedes Mitglied des Sales-Teams befähigt werden, bestmöglich auf die Anforderungen des Buying Centers einzugehen und so die Abschlussquote zu erhöhen.
Charakteristisch für Sales Enablement ist ein starker Fokus auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden. Systematisch gewonnene Informationen über Kundensegmente und deren Entscheidungsverhalten müssen dafür strukturiert in die Vertriebsorganisation getragen werden.
Welche Aufgaben und Ergebnisse die Mitglieder eines Buying Centers zu welchem Zeitpunkt der Customers Journey anstreben und welche Hürden sie dabei überspringen müssen, wird während der Strategieentwicklung anhand von Interviews und Umfragen evaluiert. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für alle kundennahen Prozesse, Strategien, Tools und Argumente.
Detailliertes Wissen über die Anforderungen des Buying Centers ermöglicht eine zielgerichtete Kommunikation in Sales und Marketing. Um diesen Wettbewerbsvorteil zu nutzen, müssen vom Marketingteam gewonnene Informationen strukturiert in den Vertrieb getragen werden. Dies gelingt Ihnen mithilfe von Storytelling. Zum Beispiel, indem Ihr Marketing die Entscheidungssituation der Kunden sowie deren Weg zu den Ergebnissen, die aus der Investition resultieren, für Ihren Sales in kurzen Geschichten darlegt. Solche Stories sind simpel, aber logisch aufgebaut und enthalten die zur Situation passenden Vertriebsargumente. Auf diese Weise haben alle Mitarbeiter*innen mit direktem Kundenkontakt abrufbereit dasselbe Bild und die gleiche Argumentation im Kopf.
Zielführende Software-Tools
Damit der Sales seine Aufgaben effizient erledigen kann, braucht er Technologie, die vertriebliche Prozesse verbessert, erleichtert oder automatisiert. Typische Sales Enablement Tools sind beispielsweise
- Content Management System (CMS),
- Customer Relationship Management System (CRM),
- Marketing Automation,
- Learning-Management-System,
- Software-Tools für Prospecting, Sales Reporting, Kommunikation/Kollaboration und Sales Coaching sowie
- Revenue Intelligence Plattformen.
Viele dieser Lösungen sind bereits in Unternehmen etabliert. Andere müssen für das Programm ausgewählt, implementiert und verankert werden. Aufwendige Anpassungen an der bestehenden Software-Landschaft sind bei Sales Enablement aber selten der Fall. Zumal viele Marketing-/Sales-Suiten sowie dedizierte Sales Enablement Software (z. B. Highspot oder Showpad) die benötigten Funktionen vereinen.
In ihrer Gesamtheit soll eine Sales Enablement Lösung alle Content-Bausteine, Schulungsinhalte und Kundeninformationen liefern, die es für die Kundenbetreuung braucht. Das Sales Team kann im Idealfall leicht nachvollziehen, welcher Content und welche Argumente in welcher Phase der Buyer’s Journey funktionieren, wie Kunden bislang mit dem Unternehmen und dessen Plattformen (Webseite, soziale Medien etc.) interagiert haben und welche Themen sie interessant finden. Anhand dessen lassen sich Kundengespräche individueller und zielgerichteter gestalten.
Was sind die Vorteile von Sales Enablement für Marketing und Vertrieb?
Sales Enablement soll Verkäufer*innen mithilfe effektiver Tools und Prozesse ermöglichen, langfristige, partnerschaftliche Kundenbeziehungen zu pflegen. Richtig angewendet, bringt diese Strategie B2B-Unternehmen in der Praxis auf mehrere Arten voran:
Umsatzsteigerung durch loyalere, zufriedenere Kunden
Eine individuellere Betreuung im Sinne eines Customer-led Growth verbessert das Kundenerlebnis, führt zu loyaleren Kunden und kann den Absatz von Produkten und Services beträchtlich erhöhen.
Höhere Produktivität und Effektivität
Tätigkeiten, die keinen Mehrwert für den Kunden haben, will Sales Enablement in der Praxis auf ein Minimum beschränken.
Marketing und Sales Alignment
Die Kooperation zwischen Marketing und Vertrieb wird durch klar definierte Ziele, Rollen, Prozesse und Aufgaben verbessert. Beide Bereiche gewinnen ein einheitliches Kundenbild, das als Grundlage für eine gemeinsame Strategie dient.
Technologien werden nachhaltig verankert
Software-Tools, die vertriebliche Aufgaben erleichtern, werden systematisch ausgewählt, implementiert und dem Sales in Schulungen erläutert. Inwiefern die Mitarbeiter*innen die Werkzeuge nutzen, wird im Rahmen der Analyse des Programms überprüft.
Vertriebsrelevante Inhalte befinden sich an einem zentralen Ort
Ein CMS dient im Sales Enablement als Informationsspeicher, aus dem die Vertriebsabteilung alle relevanten Materialien (Sales-Content, Schulungsmaterial etc.) schöpfen und z. B. für Kunden individuell zusammenstellen kann – auch unterwegs.
Geringere Abhängigkeit von Spitzen-Performern
Best Practices und Kunden-Insights fließen in standardisierte Prozesse, Schulungen und Argumentationen, die allen Verkäufer*innen zur Verfügung stehen. Die Abhängigkeit zu einzelnen Sales Leaders sinkt.
Schnelleres Onboarding
Prozesse und Inhalte werden exakt auf die Anforderungen neuer Mitarbeiter*innen zugeschnitten.
Sales Enablement ist für Ihr Marketing- und Vertriebsteam ein Kulturwandel
Sales Enablement ist ein methodischer Ansatz, der Verkäufer*innen alle Werkzeuge an die Hand gibt, die für eine effektive Kundenbearbeitung notwendig sind. Im Kern ist es eine kundenzentrische Methode, mit der B2B-Unternehmen vertriebliche Tätigkeiten so präzise wie möglich auf die Buyer’s Journey zuschneiden. Dies soll die Kundenbindung und -loyalität – und damit die Verkaufsergebnisse – verbessern.
Mit Customer-led Growth & Sales Enablement leiten Unternehmen einen Kulturwandel ein. Dieser folgt der Prämisse, dass mehrere Bereiche an der Sales-Performance beteiligt sind. Dies verändert nicht nur die Arbeit des Vertriebs, sondern betrifft auch das Tagesgeschäft in Marketing, Service, IT und HR. Um einen solch übergreifenden Change-Prozess zum Erfolg zu führen, braucht es daher von Anfang an die Unterstützung von Management und Führungskräften. Andernfalls handelt es sich um eine teure Initiative, die im Tagesgeschäft keine Verbesserungen bewirkt.